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Jeremia – der Prophet der Völker

Ansicht Cover Band1 Die Wirksamkeit des Propheten Jeremia (= Jehova verwirft) fällt mit einem der wichtigsten Wendepunkte der Welt- und Heilsgeschichte zusammen und wird maßgebend dadurch bestimmt. Babel wurde die erste Weltmonarchie nach dem Zusammenbruch der äußeren Theokratie, nach der Zerstörung Jerusalems und des Heiligtums, in deren Hände Gott die Regierung über sein Volk Israel gelegt hat. Es war die besondere Aufgabe des Jeremia, diese bedeutungsvolle Zeitenwende in der Heilsgeschichte mit seinem prophetischen Wort zu begleiten und zu deuten.

Die ganze Zeit der mehr als fünfzigjährigen Wirksamkeit des Propheten Jeremia stand unter der Signatur der Gerichte über Israel. Seit Manasses Tagen stand für die Propheten Jehovas unerschütterlich fest, dass das Gericht über das Volk Gottes nicht mehr aufzuhalten sei. Hieraus erklärt sich auch ihr passives Verhalten der gewaltigen Reformationsbewegung Josias gegenüber. Sie wussten wohl, dass alle diese Anstrengungen völlig resultatlos bleiben würden.

Schon seine Stellung als Priester machte Jeremia zu seinem speziellen Prophetenberuf geeignet; denn er war ein wahrer Priester, der die Not seines Volkes zu seiner eigenen machte, auf sein Herz und seine Schultern legte und sie vor Jehova trug. Er musste all das Leiden seines Volkes vorher selber an seinem eigenen Leibe erfahren und durchkosten, um das rechte Mitleid, die große allerbarmende Liebe aus tiefster Erfahrung heraus zu lernen.

Hardcover, 510 Seiten, 17,80 €
ISBN-13: 978-3-00-054955-7
Bestellnummer: 1320

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Ausschnitte zum Probelesen


Inhaltsverzeichnis


1 Die Wirksamkeit des Propheten Jeremia 9
1.1 Der Prophet Jeremia im Rahmen der Zeitgeschichte (1,1-3) 9
1.2 Die Berufung des Propheten (1,4-10) 11
1.3 Das prophetische Programm (1,11-19) 17
1.4 Die zweifache Sünde Israels (2,1-19) 22
1.5 Die Wurzeln der Sünde Israels (2,20-37) 28
1.6 Der fortwährende Bußruf (3,1-17) 36
1.7 Gegenwärtige Bekehrung (3,18-4,4) 43
1.8 Das Gericht für die Unbußfertigen (4,5-18) 50
1.9 Fragen und Probleme 55
2 Über den Charakter des Propheten Jeremia 55
2.1 Das Gericht ist unwiderruflich (4,19-31) 58
2.2 Jehova, deine Augen — sehen sie nicht auf den Glauben? (5,1-18) 63
2.3 Weshalb hat Jehova, unser Gott, uns dies alles getan? (5,19-31) 69
2.4 Ich habe dich zum Prüfer unter meinem Volk bestellt (6,1-30) 74
2.5 Die Lüge des äußerlichen Tempeldienstes (7,1-20) 83
2.6 Die große Täuschung der selbstgemachten Religion (7,21-8,3) 89
2.7 Sie halten fest am Trug, wollen sich nicht bekehren (8,4-23) 95
2.8 Fragen und Anmerkungen 101
3 Jeremias Stellung zum israelitischen Kultus 102
3.1 Des Propheten Wehklage über sein Volk (9,1-25) 106
3.2 Züchtige mich, Jehova, doch nur mit Maßen (10,1-25) 113
3.3 Das Bundesproblem (11,1-17) 121
3.4 Jeremias Leiden um der Wahrheit willen (11,18-12,17) 126
3.5 Das Gleichnis vom verdorbenen Gürtel und den zerbrochenen Krügen (13,1-27) 134
3.6 Die Propheten weissagen falsch in meinem Namen (14,1-18) 141
3.7 Wir hofften auf Heil, aber es kam nichts Gutes (14,19-15,9) 147
3.8 Fragen und Probleme 152
4 Jeremia als eherne Mauer in der Zeit des Verfalls 153
4.1 Jeremia, ein Mann des Zankes und Streites (15,10-21) 156
4.2 Sie sollen erkennen, dass mein Name Jehova ist (16,1-21) 163
4.3 Heile du mich, Herr, so werde ich heil (17,1-18) 169
4.4 Sabbatheiligung (17,19-27) 177
4.5 Ton und Töpfer (18,1-23) 180
4.6 Das Gleichnis vom zerbrochenen Krug (19,1-13) 188
4.7 Durch Tiefen (19,14-20,18) 192
4.8 Fragen und Probleme 199
5 Die Sünde Manasses und das Heil Jehovas 200
5.1 Der neue Heilsweg oder Unterwerfung unter das Gericht (21,1-14) 202
5.2 Die Sünde Manasses (22,1-30) 207
5.3 Die Weissagung vom guten Hirten (23,1-8; vgl. Joh. 10,1-16) 214
5.4 Falsche Propheten (23,9-22) 219
5.5 Weil ihr die Worte des lebendigen Gottes verdreht habt (23,23-40) 225
5.6 Das Gleichnis von den zwei Feigenkörben (24,1-10) 230
5.7 Die babylonische Gefangenschaft (25,1-11) 235
5.8 Fragen und Probleme 239
6 Nebukadnezar, ein Knecht Jehovas 240
6.1 Der Kelch Jehovas für alle Völker (25,12-29) 244
6.2 Das Völkergericht (25,30-38) 250
6.3 Leiden um der Wahrheit willen (26,1-24) 254
6.4 Bringt eure Hälse in das Joch des Königs von Babel (27,1-22) 260
6.5 Im offenen Kampf mit den falschen Propheten (28,1-17) 266
6.6 Suchet der Stadt Bestes (29,1-14) 271
6.7 Falsche Propheten in Babel (29,15-32) 276
6.8 Fragen und Probleme 281
7 Jeremia als Evangelist 283
7.1 Ich bin mit dir, dich zu erretten (30,1-24) 286
7.2 Mit ewiger Liebe liebe ich dich (31,1-14) 295
7.3 Bekehre mich, dass ich mich bekehre! (31,15-22) 301
7.4 Der Neue Bund (31,23-40) 307
7.5 Bewährter Glaube (32,1-25) 314
7.6 Sollte mir etwas unmöglich sein? (32,26-44) 320
7.7 Jehova unsere Gerechtigkeit (33,1-26) 325
7.8 Fragen und Probleme 333
8 Das prophetische Zeugnis in dunkler Zeit 334
8.1 Zeugenmut (34,1-22) 337
8.2 Das beschämende Zeugnis der Rechabiter (35,1-19) 343
8.3 Das wirksame Zeugnis (36,1-18) 349
8.4 Das unzerstörbare Zeugnis (36,19-32) 355
8.5 Der gefangene Zeuge (37,1-21) 361
8.6 In den tiefsten Tiefen um des Zeugnisses willen (38,1-13) 367
8.7 Das nicht gehörte Zeugnis (38,14-28) 372
8.8 Fragen und Probleme 376
9 Die Aufgabe Jeremias nach dem Untergang Jerusalems 377
9.1 Die Erhaltung des Zeugen Jehovas (39,1-18) 380
9.2 Jeremia und Gedalja (40,1-16) 385
9.3 Ermordung Gedaljas (41,1-18) 391
9.4 Die Auswanderung nach Ägypten – Beispiel von falschem Führungssuchen (42,1-22) 397
9.5 Der Zeuge Gottes in Konfliktsspannungen (43,1-13) 403
9.6 Wider das götzendienerische Volk in Ägypten (44,1-19) 408
9.7 Das Gericht über Juda in Ägypten (44,20-45,5) 414
9.8 Fragen und Probleme 419
10 Jeremia als Völkerprophet 420
10.1 Ägypten und Philistäa (46,1-47,7) 423
10.2 Moab (48,1-47) 431
10.3 Ammon, Edom, Damaskus, Kedar, Hazor, Elam (49,1-39) 440
10.4 Babels Hochmut gerichtet (50,1-32) 449
10.5 Die Größe und Kraft Jehovas als Richter und Erlöser (50,33-51,26) 456
10.6 Die Zerstörung Babels und Israels Erlösung (51,27-64) 465
10.7 Die Zerstörung Jerusalems (52,1-34) 473
10.8 Fragen und Probleme 479
Bibelstellenverzeichnis 481

2 Über den Charakter des Propheten Jeremia

Über die Einflüsse, die mitbestimmend auf die Bildung des Charakters bei Jeremia waren, wissen wir nicht viel. Es ist allerdings von Bedeutung, dass er aus einer Priesterfamilie in Anathoth stammte. Ob sein Vater derselbe war wie der Hohepriester Hilkia, der das Gesetzbuch wieder aufgefunden hat, ist eine Vermutung, die sich nicht beweisen lässt (vgl. 2. Kön. 22,8). Wir sind jedoch zu der Annahme berechtigt, dass das priesterliche Vaterhaus auf das Gemüt des empfänglichen Knaben einen tiefen, segensreichen Einfluss ausgeübt hat. Schon früh wurde er mit dem Wort Gottes bekannt gemacht. Besonders war es das 5. Buch Mose, aus dem der jugendliche Geist seine Nahrung empfing. Viele Stellen in seinen Reden verraten seine gute Bekanntschaft mit diesem Buch. Auch die Schriften der früheren Propheten müssen seine Lieblingslektüre gewesen sein, was die häufigen Zitate und Anspielungen beweisen. Kein anderer Prophet ist so erfüllt mit Erinnerungen an die ältere Geschichte und Literatur Israels wie Jeremia. Die Erinnerungen seiner frühesten Kindheit sind verknüpft mit sehr einschneidenden Erfahrungen verschiedener Art. Er war ein Altersgenosse des jugendlichen, gottbegeisterten Königs Josia. Bei seiner Geburt stand das Land noch unter den Nachwehen der schweren Zeit des Königs Manasse, der mit Feuer und Schwert die Propheten verfolgte und gegen die Jehova treuen Priester wütete. Er hat dann später miterlebt, wie durch den zwanzigjährigen Josia eine Reinigung des Volkes vom Götzendienst, eine Reformationsbewegung größeren Stils begann. Jedenfalls ist dies alles nicht ohne Eindruck an ihm vorbeigegangen.

Aber das erklärt uns noch nicht genügend die Bildung seines Charakters. Diese können wir nur verstehen, wenn wir die Schule des Geistes Gottes kennen. Wir müssen hier ein Meisterwerk Gottes bewundern, das aus dieser Schule hervorgegangen ist. Wir haben in Jeremia keinen Kirchenheiligen auf Goldgrund vor uns, mit glatter faltenfreier Stirn, mit weltfremdem Blick, in spannungsloser Ruhe über alles Menschliche erhaben, sondern einen Heiligen Gottes, gebildet in der Schule des Geistes, in heißem ringendem Glaubenskampf, in einem Leben beständiger Spannung zwischen Paradoxen, die aus der Eigenart seiner Natur und des prophetischen Berufs stammen. Wir haben hier ein herrliches Beispiel von der sittlich bildenden Kraft des Geistes Gottes, der aus dem weichen Ton ein Gefäß zur Ehre Gottes geformt hat. Der zarte, schüchterne, weichherzige Mann wurde zu einer festen Stadt, zur eisernen Säule und ehernen Mauer wider das ganze Land.

So kam er mit sich selbst in Konflikt und in einen fortwährenden inneren Kampf hinein. Er liebte sein Volk und sein Land mit glühender Begeisterung und musste ein Revolutionär sein, als Vaterlandsverräter angeklagt und gemieden; selber Priester und Prophet, musste er gegen das entartete Priestertum und die falsche Prophetenschaft Front machen und wurde von diesen Seiten aufs Äußerste angefeindet; als Mann des Friedens und weichen Gefühls musste er als Verkünder der furchtbarsten Zorngerichte Gottes den Königen, Fürsten und Volk gegenübertreten und den Hass aller erdulden.

So wurde er ein Mann, vertraut mit Leiden, und führte ein Leben beständiger Enttäuschungen, aber ein Leben, das ganz in seinem heiligen Prophetenberuf aufging und davon verzehrt wurde. Ganz Gefühl, war er doch kein Gefühlsmensch, der von Illusionen lebt, sondern der von einem heiligen Realismus beherrscht wird und der die Dinge sieht, wie sie wirklich sind. Er ließ sich von nichts täuschen oder gefangen nehmen. Die großartige Reformationsbewegung Josias blendete ihn nicht. Die Gegenreformation Jojakims schreckte ihn nicht. In der Ausführung seiner göttlichen Aufträge war er unerschütterlich. Und doch, wie musste er sich jedes Mal hindurchringen, wie furchtbar wirklich erlebte er selber alles, was er zu verkündigen hatte. Nur die beständige Gottesgemeinschaft (vgl. Kapitel 1,19) hielt ihn aufrecht, dass er nicht zusammenbrach.

Von Zeit zu Zeit überwältigte ihn die Größe seines Kampfes, und sein Herz durchbricht die eisernen Türen der Selbstbeherrschung, sodass er gelegentlich mit Gott hadert oder den Tag seiner Geburt verwünscht. Dann kommt er aber wieder zurecht und zurück ins Gleis völliger Unterwerfung. Solche Momente bringen ihn uns so menschlich nahe. Es ist nicht Selbstsucht, nicht das eigene Ich, das durchbricht, sondern das Nurmenschliche, das einen Augenblick dem Druck der Spannung weicht. Es ist seine überwallende Liebe zu seinem Volk, die ihm im Blick auf das kommende Gericht das Herz zerreißt, sodass er zerschlagen einhergeht wegen der Zerschmetterung der Tochter seines Volkes. Er klagt: „O dass mein Haupt Wasser wäre, und mein Auge ein Tränenquell, dass ich beweinen möchte Tag und Nacht die Erschlagenen der Tochter meines Volkes.“

Das Bewusstsein seines Berufes lässt ihm keine Ruhe, er muss reden; denn es war in seinem Herzen wie brennendes Feuer, verschlossen in seinen Gebeinen, und mühte er sich ab, es zurückzuhalten, so vermochte er es nicht. Dabei stand er fast ganz allein, ohne Hilfe vonseiten der Menschen. Auch den Ehestand hat er nicht kennengelernt. Seine einzige Stütze und Kraftquelle war Jehova, der sich in ganz besonderer Weise an diesem Mann verherrlicht hat.

Das größte und wichtigste Problem in seiner prophetischen Aufgabe war das Gerichtsproblem, wie es gerade seine Zeit nahelegte. Handelte es sich doch um das heilsgeschichtliche Verstehen der großen Katastrophe, der babylonischen Gefangenschaft. Nur ein Mann wie Jeremia, so selbstlos fromm, so rein in seinen Motiven und so ganz von der Ehre Jehovas erfüllt, war prädestiniert und berufen für diesen Dienst. Aus seinem Mund hören wir das Gericht des Alten, erfahren wir vom Ausrotten, Zerstören, Verderben und Niederreißen, aber auch vom Bauen und Pflanzen, von der Stiftung eines Neuen Bundes.

10 Jeremia als Völkerprophet

Jeremia war der erste eigentliche Völkerprophet nach Jer. 1,10: „Siehe, ich habe dich heute über die Völker und über die Königreiche gesetzt, um auszurotten und niederzureißen und zu zerstören und abzubrechen, um zu bauen und zu pflanzen“. Wohl hatten andere Propheten vor ihm auch über heidnische Völker zu weissagen (z. B. Jes. 13–23), aber stets vom israelitischen Standort aus. Die Propheten standen gleichsam auf dem Berg Zion als Vertreter und Sprecher Gottes und schauten von diesem theokratischen Zentrum aus auf die Völkerwelt rings um das Land Israel herum. Ganz anders war die heilsgeschichtliche Lage bei Jeremia. Die Theokratie wurde zertrümmert in dem von Nebukadnezar durchgeführten Gericht Jehovas. Der Thron Gottes wurde dadurch verlegt vom Zion hinweg nach Babel, mitten hinein in die Völkerwelt. Israel hatte das Vorrecht, der Knecht Jehovas zu sein, durch beharrlichen Ungehorsam verwirkt. Nun ging diese Aufgabe an die Völker über. Nebukadnezar und später Kores wurden jetzt Knechte Jehovas genannt. Gott regierte die Welt von Babel aus. Von dort ging nun das Gericht aus, aber auch das Heil.

Diese grundsätzlich völlig veränderte heilsgeschichtliche Lage zu deuten, war die Aufgabe Jeremias. Für Israel war diese Kursänderung geradezu eine religiöse Revolution, eine radikale Umwälzung, ein Zusammenbruch des alten Systems, eine Gerichtskatastrophe. Dieser Systemwechsel beschränkte sich ausschließlich auf die Regierungswege Gottes, auf die göttliche Praxis zur Erreichung des Heilszieles. Dieses blieb von allem unberührt und ungestört. Die Israel gegebenen Verheißungen sind unbereubar (vgl. Röm. 11,29). Das Ziel ist unverrückbar und unverlierbar, es ändern sich nur die heilspädagogischen Methoden oder die Haushaltungen Gottes. Mit der Zerstörung Jerusalems im Jahr 586 endete eine alte Haushaltung und begann eine neue. Das charakteristisch Neue war die Errichtung der Gottesherrschaft von Babel aus.

Wie schwer es für das alttestamentliche Bundesvolk war, diese Wandlung zu verstehen, können wir heute kaum noch recht nachempfinden und begreifen, die wir bereits unter einer völlig anderen Haushaltung leben und die verflossenen von unserem Standort aus betrachten. Israel musste erst völlig darniederliegen und in seiner nationalen Existenz durch das Gericht zertrümmert werden, um das Neue lernen zu können. Es ging nur durch das große Weinen und Sterben hindurch, durch ein Gericht des Ausrottens und Niederreißens, des Zerstörens und Abbrechens zum neuen Bauen und Pflanzen. Was nun das mitten unter die Völker zerstreute Israel erlebte und an sich erfahren musste, das sollte Gemeingut aller Völker werden. Die Geschichte Israels war der großartige, religiöse Anschauungsunterricht der Völkerwelt. Jeremia konnte deshalb sein prophetisches Buch nicht abschließen mit der Gerichtsweissagung über das ganze Land Juda (vgl. Jer. 45,4), sondern musste Fortsetzung machen mit einem Ausblick auf die Völkerwelt (Kapitel 46–51).

Es sind zehn Weissagungen über die Völker. Die Zehnzahl hat gewiss symbolischen Wert. Die Rundschau ist so geordnet, dass zuletzt Babel selbst an die Reihe kommt, um gerichtet zu werden. Wie Amos bei einer ähnlichen Rundschau über die Völker (vgl. Am. 1,3–2,5) die Reihenfolge beachtet mit dem Ziel auf Israel, das zuletzt ins Gericht kommen soll, so hat Jeremia bei seiner Anordnung der Reihenfolge jetzt ein anderes Ziel, nämlich das Gericht über Babel, das Zentrum der Weltmacht. Babel, die Zuchtrute Gottes für die Völker, sollte zuletzt ebenfalls zerschlagen werden. So müssen die Weltreiche denselben Weg gehen, den Israel ihnen vorhergegangen ist, den Weg durch Gericht zum Heil, durch Sterben zum Leben, durch Ausrotten und Niederreißen, durch Zerstören und Abbrechen zum Bauen und Pflanzen. Es handelt sich bei diesen Gerichtsweissagungen über die Nationen um Zerstörung der menschlichen Regierungen, um der Errichtung der universalen Gottesherrschaft Platz zu machen. In einem großen Gottesreich werden Völker wie Ägypten, Elam, Moab und Ammon ihre völkische Eigentümlichkeit behalten, während andere wie Edom, Damaskus, Philistäa und Hazor, deren Gebiet von Rechts wegen zu Israels Erbe gehörte, schließlich ganz als selbstständige Nationen aufhören und von Israel absorbiert werden sollen.

Im neuen Gottesreich wird ein neues Israel wieder die Führung haben. Babels Untergang wird Israels Befreiung bringen. Wenn die Zeit der Heiden vorbei sein wird, dann wird Jehova seinen Thron wieder unter Israel aufschlagen, mitten in seinem Volk, und von dort aus das Heil der Völkerwelt vermitteln. Mit dieser großartigen Perspektive schließt das Buch des Propheten Jeremia. Das 52. Kapitel ist als Anhang zu betrachten.

Für das Heil der Völker gibt es nach der Schrift dreierlei Gnadenmaß:

• Israel allein wird erhalten als Nation, aber durch das Gericht des völligen Zerbrechens hindurch.

• Ägypten, Elam, Assyrien werden als selbstständige Nationen zertrümmert und aufgelöst, aber in ihrer völkischen Eigentümlichkeit geheiligt und erhalten.

• Andere Nationen wie Edom, Damaskus und Philistäa, deren Gebiet ursprünglich zum Erbe Israels gehörte, verlieren außer ihrer nationalen Existenz auch ihre völkische Eigentümlichkeit und werden von Israel absorbiert.

Das durch Nebukadnezar zu vollziehende Völkergericht (Jer. 46–49) war eine allgemeine Abrechnung Jehovas mit denjenigen Völkern, denen er durch Jeremia den Zorneskelch hatte kredenzen lassen (vgl. Jer. 25,12–29). Babel selber sollte zuletzt an die Reihe kommen, um ebenfalls gerichtet zu werden. Dieses vorlaufende Völkergericht ist anzusehen als Typus und Vorstufe des großen endgeschichtlichen Völkergerichts (vgl. Jer. 25,30–38), das durch das endgeschichtliche Babel vermittelt und bei dem dieses ebenfalls als letztes mitgerichtet werden soll. Dann soll die Gottesherrschaft im Messiasreich aufgerichtet werden. Das letzte Ziel der Gerichte über die Völker ist das allgemeine Heil der Welt.