Die Apokalypse Jesu Christi
|
Heinrich Langenberg ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass in der Apokalypse die prophetischen
Linien des Alten Testaments ihre Vollendung finden. Außerdem betont er in seinen Auslegungen die
heilsgeschichtliche Berufung und Bestimmung der Gemeinde. Mit ihrer Aufgabe, nämlich dem
Königspriesterdienst zur Wiederherstellung Israels und zur Weltvollendung, ist sie das Instrument
für das Handeln Gottes in Heil und Gericht.
Brosch., 538 Seiten, 29,80 €
ISBN-13: 978-3-00-033932-5
Bestellnummer: 1300
|
Ausschnitte zum Probelesen
Inhaltsverzeichnis
1 |
Der erste Hauptteil des Buchs (Offb. 1,1–3,22) |
7 |
1.1 |
Der Prolog (Offb. 1,1–8) |
7 |
1.2 |
Johannes’ Berufung zum Apokalyptiker (Offb. 1,9–20) |
26 |
1.3 |
Die sieben Sendschreiben (Offb. 2,1–3,22) |
46 |
1.3.1 |
Ephesus (Offb. 2,1–7) |
49 |
1.3.2 |
Smyrna (Offb. 2,8–11) |
60 |
1.3.3 |
Pergamon (Offb. 2,12–17) |
67 |
1.3.4 |
Thyatira (Offb. 2,18–29) |
76 |
1.3.5 |
Sardes (Offb. 3,1–6) |
87 |
1.3.6 |
Philadelphia (Offb. 3,7–13) |
96 |
1.3.7 |
Laodicea (Offb. 3,14–22) |
105 |
2 |
Der zweite Hauptteil des Buchs (Offb. 4,1–11,14) |
115 |
2.1 |
Die Zentrale der Weltregierung Gottes (Offb. 4,1–5,14) |
115 |
2.2 |
Die ersten sechs Siegel (Offb. 6,1–17) |
155 |
2.3 |
Die Hundertvierundvierzigtausend und die große Schar (Offb. 7,1–17) |
178 |
2.4 |
Die Eröffnung des siebten Siegels (Offb. 8,1–6) |
198 |
2.5 |
Die vier ersten Posaunen (Offb. 8,7–12) |
205 |
2.6 |
Der Adlerruf im Zenit des Himmels (Offb. 8,13) |
212 |
2.7 |
Die fünfte und sechste Posaune (Offb. 9,1–21) |
213 |
2.8 |
Das offene Büchlein (Offb. 10,1–11) |
232 |
2.9 |
Die Messung des Tempels Gottes und die zwei Zeugen auf dem Boden Israels (Offb. 11,1–14) |
242 |
3 |
Der dritte Hauptteil des Buchs (Offb. 11,15–22,5) |
260 |
3.1 |
Die siebte Posaune (Offb. 11,15–19) |
260 |
3.2 |
Die Sonnenfrau und der Drache (Offb. 12,1–18) |
269 |
3.3 |
Das Tier aus dem Meer und das Tier aus dem Land (Offb. 13,1–18) |
297 |
3.4 |
Das Lämmlein und die Hundertvierundvierzigtau-send auf dem Berge Zion (Offb. 14,1–5) |
314 |
3.5 |
Drei Engelsbotschaften in der Verkündigung des Endgerichts (Offb. 14,6–13) |
320 |
3.6 |
Israels Gerichtsernte (Offb. 14,14–20) |
330 |
3.7 |
Die Überwinder auf dem kristallenen Meer (Offb. 15,1–4) |
340 |
3.8 |
Der geöffnete Tempel des Zeltes des Zeugnisses im Himmel (Offb. 15,5–8) |
346 |
3.9 |
Die sieben Zornesschalen (Offb. 16,1–21) |
350 |
3.10 |
Das Gerichtsurteil über die große Hure (Offb. 17,1–18) |
370 |
3.11 |
Das Gericht über Babel (Kapitel 18,1–24) |
389 |
3.12 |
Die Hochzeit des Lämmleins und der Königsbräutigam (Offb. 19,1–16) |
408 |
3.13 |
Das Gericht über das Tier (Offb. 19,17–21) |
426 |
3.14 |
Das Tausendjährige Reich (Offb. 20,1–6) |
432 |
3.15 |
Die letzte Empörung und das Ende der Herrschaft Satans (Offb. 20,7–10) |
442 |
3.16 |
Das Gericht über den alten Kosmos und die Toten (Offb. 20,11–15) |
447 |
3.17 |
Der neue Himmel und die neue Erde (Offb. 21,1–8) |
453 |
3.18 |
Das neue Jerusalem (Offb. 21,9–22,5) |
463 |
3.19 |
Der Epilog (Offb. 22,6–21) |
490 |
4 |
Anhang |
505 |
|
Bibelstellenverzeichnis |
509 |
„Apokalypse
(Enthüllung) Jesu Christi, die ihm Gott gibt, zu
zeigen seinen Knechten, was werden muss in Bälde, und die
er darstellt in Zeichen, indem er Botschaft sendet durch
seinen Engel seinem Knecht Johannes.“ (1,1)
Das erste Wort, gleichsam die
Überschrift, heißt: „Apokalypse Jesu
Christi“. Dieser Ausdruck zeichnet das letzte Buch der
Bibel als einzigartig dastehend aus unter allen Büchern der
Heiligen Schrift. Apokalypse ist zu unterscheiden von anderen
prophetischen Büchern. Wohl bringen auch diese hie und da
einzelne Apokalypsen oder Enthüllungen der Regierungswege
Gottes, aber sie sind nicht selber Apokalypse. Auch unterscheidet
sich die Apokalypse Jesu Christi von der sonstigen apokalyptischen
Literatur des Judentums. Letztere bringt Enthüllungen über
das Weltende in mehr oder weniger phantastischer Form. Das letzte
Buch der Bibel dagegen bringt uns eine Enthüllung Jesu
Christi, die Gott ihm gibt. Jesus Christus selbst ist Gegenstand
und Inhalt der Enthüllung, und zwar in Verbindung mit dem, was
in Bälde werden muss.
Es sind also nicht
in erster Linie zukünftige Ereignisse, die uns gleichsam in
einem Orakel vorher verkündigt werden, sondern Jesus
Christus selbst wird uns hier in einer bisher nicht bekannten Weise
enthüllt als der Weltvollender. Es ist wichtig, das bei der
Deutung des Buchs in allen seinen Teilen stets im Auge zu behalten.
Gott gibt ihm tatsächlich (der Aorist betont das Faktische einer
Handlung) die Enthüllung, d.h. nicht nur das Buch, das diesen
Titel trägt (vgl. Offb. 5,7), sondern das, was in demselben über
das Wesen und Werk Jesu Christi enthüllt wird. Gott ist die
letzte Ursache alles Heilsgeschehens, Christus ist der Offenbarer des
unsichtbaren Wesens und Wirkens Gottes. Jesus Christus empfängt
die Enthüllung vom Vater, um sie weiterzugeben, indem er den
Knechten Gottes zeigt, was werden muss in Bälde. Es handelt sich
also um die Werdegeschichte, die mit der Enthüllung Jesu Christi
verbunden ist.
Nicht nur
geschichtliche Ereignisse sollen voraus verkündigt werden,
sondern die Knechte Gottes sollen Einblick und Verständnis
gewinnen für das Werden alles dessen, was mit der
Welterneuerung und Weltvollendung zu tun hat. Dieses Werden
beruht auf einem von Gott bestimmten Muss. Es ist aber kein starres
Gesetz, das jede freie Willens– und Entscheidungsfreiheit
ausschließt, sondern göttliche Schöpfungsweisheit,
in der Gottes Absolutheit und menschliche Freiheit so ineinander
geordnet sind, dass sie keine Gegensätze bilden.
Wie das möglich
ist, bleibt unserem Verstand vorläufig verborgen. Das
prophetische Wort lüftet für den Glauben etwas den Schleier
und lässt ihn hineinschauen in dieses unergründliche
Geheimnis. Dennoch bleibt unser Erkennen nur Stückwerk (1. Kor.
13,9: = aus einem Teil heraus), d. h. wir erkennen nur jeweils
die ganze Wahrheit von irgend einem Teil derselben aus, also entweder
von der Absolutheit Gottes aus, indem wir dabei das Sowohl-als-auch
nicht aus dem Auge verlieren dürfen.
Für Gott gibt
es keinen Dualismus, sondern in ihm ist alles eins. Daher betont das
prophetische Wort mehr das göttliche Muss oder die göttliche
Absolutheit. Das Wort Gottes muss erfüllt werden (vgl. Lk.
21,9.22.24–26; Apg. 1,16; 3,21). Weil Gott den Vorsatz der
Äonen macht in Christus Jesus, unserem Herrn (Eph. 3,11),
deshalb vollzieht sich das göttliche Muss des Werdens auch
durch die Enthüllung Jesu Christi.
Die Geschichte hat
einen ganz tiefen Sinn, den zu erkennen das Vorrecht der Knechte
Gottes ist. Hätten wir die Bibel mit der Apokalypse nicht, so
wären wir vollständig ratlos in Bezug auf den Sinn der
Geschichte. An einen ewigen, innergeschichtlichen Fortschritt zu
glauben ist uns heute nicht mehr möglich, nachdem die
Menschheit durch das furchtbare Zeitgeschehen aus ihrer
Kulturseligkeit aufgeschreckt ist, und mit der Tatsache der
Vergänglichkeit und des Todes können wir uns
keineswegs so abfinden, ohne zu verzweifeln an dem ganzen Sinn
des Daseins, wenn wir nicht ein göttliches Muss, einen festen
Plan in allem entdecken können. Ob der Unglaube überhaupt
von sich aus diese Entdeckung machen kann? Paulus verkündigt auf
dem Areopag zu Athen den Weltweisen und Philosophen von Gott: „Er
macht auch, dass aus Einem jede Menschennation wohne auf der
gesamten Oberfläche der Erde, indem er bestimmt
(festsetzt) angeordnete Zeitwenden und die
Abgrenzungen ihres Wohnens, um Gott zu suchen, ob sie also
ertasten und finden möchten ihn, der auch nicht ferne von einem
jeglichen einzelnen von uns existiert; denn in ihm leben wir
und bewegen uns und haben unser Sein“ (Apg. 17,26–29).
Der ungläubige Sucher kann Gott ertasten, d. h. etwas ahnen von
dem Sinn der Welt und der Geschichte, Knechte Gottes dagegen dürfen
tief hineinschauen in die inneren Zusammenhänge, in den
göttlichen Welt– und Heilsplan und wissen um das bestimmte
Ziel alles Werdens. Das ist der Zweck der Apokalypse Jesu
Christi.
Charakteristisch für
die Apokalypse ist das eigentümliche Zeitgefühl, das
besonders in zwei prägnanten Ausdrücken an besonderen
Stellen durchbricht, nämlich „in Bälde“ und
„nach diesem“. Auf letzteren Ausdruck kommen wir
bei Gelegenheit zurück. Zuerst beschäftigt uns das „in
Bälde“
Es rahmt gleichsam
das ganze Buch ein; denn der Ausdruck: „was werden muss in
Bälde“ kommt auch noch einmal am Schluss vor (Kapitel
22,6). Bezeichnet das „Muss“ die Absolutheit des
Werdens, so charakterisiert das „in Bälde“ die
ungeheure Wucht und Energie des Werdens. Es sieht manchmal nur so
aus, als geschähe nichts, oder als ob alles sehr schleppend
vorankäme (vgl. 2. Petr. 3,9), aber in Wirklichkeit bestimmt das
„in Bälde“ die ganze Werdegeschichte von
Anfang an bis zum Vollendungsziel, also nicht nur die letzte
Wegstrecke, die Endgeschichte. Unter bald stellen wir uns gewöhnlich
die ganz nahe Zukunft vor, aber in der Apokalypse ist „in
Bälde“ Gegenwart und Zukunft zugleich, ein stetes,
zielstrebiges, wuchtiges, unaufhaltsames Werden (vgl. Jes. 60,22).
Die Vermittlung
dieses Verständnisses für das „Muss“ und
das „in Bälde“ des Vollendungswerdens der
Welt geschieht für die Knechte Gottes durch „zeigen“.
Das ist die Lehrmethode durch Anschauung, in der der Lernende sehend
gemacht wird. Nicht der grübelnde Verstand soll durch
Schlussfolgerungen Erkenntnisse gewinnen, sondern unmittelbares,
erlebnismäßiges Erschauen von Wirklichkeiten ist hier der
Unterricht. Dieses „Zeigen“ vollzieht sich in
der Apokalypse durch Vermittlung einer besonderen prophetischen
Bildsprache, durch Darstellung in Zeichen. Das Bild ist tiefer und
ursprünglicher als das abstrakte Wort. Die Apokalypse ist
nicht nur selber ein bis zum Rand mit Spannung gefülltes,
hochdramatisches Kunstwerk, sondern als solches auch ein getreues
Spiegelbild des ganzen, gewaltigen Weltdramas, das die Enthüllung
Jesu Christi zum Generalthema hat.
„Indem er
Botschaft sendet durch seinen Engel.“ Bei solcher Botschaft
wird Sehen und Hören zugleich in Bewegung gesetzt, indem das
Hören dem Sehen vorangestellt wird (vgl. Offb. 22,8 nach dem
Urtext: „dies hörend und sehend“). „Das
hörende Ohr und das sehende Auge, der Herr hat sie alle
beide gemacht“
(Spr. 20,12). Bei
Jesus ist die Reihenfolge vom Hören und Sehen umgekehrt.
Johannes der Täufer sagt deshalb von ihm: „Was er
gesehen und tatsächlich hört, das bezeugt er“
(Joh. 3,32). Ob es sich hier um einen einzigen, bestimmten Engel
handelt, der dem Johannes als Dolmetscher der Apokalypse zur
Verfügung gestellt wird, oder ob, da ja mehrere Engel im Verlauf
der Schauungen als Vermittler auftreten, jedes Mal der gerade
fungierende Engel gemeint ist, lässt sich schwer
entscheiden. Für die Annahme, dass die gesamte Offenbarung dem
Johannes durch ein und denselben übermittelt worden sei, spricht
aber der Schluss in Kapitel 22,8.16. In Kapitel 22,16 wird derselbe
ausdrücklich als der Engel Jesu bezeichnet. Der vom Herrn
gesandte Engel sollte dem Johannes die Zeichen vorführen und
deuten oder zeigen (vgl. Kapitel 22,6), was dieser zu hören oder
sehen bekommt.
„Seinem
Knecht Johannes“. Johannes, der dies schreibt,
objektiviert sich selber. Erst in Vers 9 sagt er: „Ich,
Johannes“. Der Titel „Knecht“ oder
„Sklave“ (dulos), den auch der Apostel Paulus
mit Vorliebe für sich in Anspruch nimmt, erhält in der
Apokalypse dadurch eine besondere Note, dass vor allem der
prophetische Dienst damit gekennzeichnet wird. Durch den Knecht
Jesu Christi, Johannes, sollen die Knechte Gottes die Enthüllung
Jesu Christi empfangen, nämlich diejenigen, die zu
Königspriestern berufen sind im Dienst des Königs
Jesus Christus zur Welterneuerung und Weltvollendung. Die
Apokalypse ist also kein Erbauungsbuch für jedermann und
erst recht nicht ein Buch für Sensationslüsterne,
sondern ein Wegweiser zur Orientierung für Knechte Gottes, die
das Zeugnis Jesu haben, nämlich den Geist der Prophetie (Kapitel
19,10). Wie können diese Knechte Gottes für ihren
Königspriesterdienst im zukünftigen Königreich Christi
zubereitet und fähig gemacht werden, wenn sie nicht wissen, um
was es geht und welche Aufgaben ihrer warten?
„Der da
bezeugt das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi, soviel
er sah.“ (1,2)
Dieses Bezeugen
bezieht sich nicht etwa auf die frühere evangelistische
Tätigkeit des Johannes, sondern konstatiert die Erfüllung
seiner in Vers 1 angedeuteten neuen Mission. Was wir also in diesem
Buch, der Apokalypse, vor uns haben, ist Gottes Wort und Zeugnis Jesu
Christi. Es kommt darauf an, die hier in Vers 2 vorkommenden
Ausdrücke genau zu untersuchen.
„Bezeugen“
(martyrein) ist ein Verkündigen, hinter welchem ein
persönliches Erleben steht. Da es sich bei Johannes hier um ein
prophetisches Bezeugen handelt, muss es durch ein prophetisches
Erleben beglaubigt sein. Daher fügt Johannes hinzu: „Soviel
als er sah“. Das Evangelium kann jeder bezeugen, da
er seine Kraft im Leben erfahren hat, aber zum prophetischen Bezeugen
gehört ein prophetisches Schauen und Hören. Hier wird das
Sehen allein erwähnt. Der Ausdruck „bezeugen“
und „Zeugnis“ kommt auffallend oft in
allen johanneischen Schriften vor. Im Evangelium und in den Briefen
bezeugt Johannes seine Augenzeugenschaft vom irdischen
Christuswirken Jesu, während er in der Apokalypse als
prophetischer Zeuge des himmlischen Christuswirkens des Sohnes Gottes
dient. Im Evangelium bezeugt Johannes das fleischgewordene Wort,
wie es unter uns zeltete, und wir schauten seine Herrlichkeit,
eine Herrlichkeit als des Einziggezeugten vom Vater, voller
Gnade und Wahrheit (Joh. 1,14). In seinem ersten Brief bezeugt er
das, „was da war von Anfang an, was wir gehört haben,
was wir gesehen haben mit unseren Augen, was wir schauen und
unsere Hände betasten, betreffs des Wortes des Lebens“
(Joh. 1,1). In der Apokalypse bezeugt er „das Wort
Gottes und das Zeugnis Jesu Christi“.
Der Ausdruck: „Das
Wort Gottes“ umfasst den ganzen Heilsratschluss Gottes, wie
derselbe wachstümlich immer mehr enthüllt wird.
Deshalb kann auch gesagt werden: „Das Wort Gottes wächst“
(Apg. 6,7; 12,24), und der Apostel Paulus musste durch seinen
Sonderdienst das Wort Gottes vervollständigen oder zur Fülle
bringen (Kol. 1,25). Eine ähnliche Aufgabe hatte Johannes als
Seher auf Patmos (vgl. Vers 9). Durch ihn sollte das Wort Gottes
eine ganz besondere Fülle erhalten. Nur in der Apokalypse wird
Jesus als der Weltvollender selber „das Wort Gottes“
genannt (Kapitel 19,13).
Aber nicht, was
Johannes selbst getan hat mit seinem Zeugnisdienst, ist eine
Vermehrung des Wortes Gottes, sondern „das Zeugnis
Jesu Christi“. Denn nicht Johannes selbst ist der Zeugende,
sondern nach Offb. 22,20 ist es Jesus, der dies bezeugt. Das Zeugnis
Jesu ist der Geist der Weissagung (Kapitel 19,10). Es handelt sich
hier also nicht um das Zeugnis über Jesus, sondern um das
Zeugnis, welches Jesus selber gibt. Dieses bezeugt Johannes in der
Apokalypse. Jesus, der Sieger, ist das Wort Gottes und der Zeugende,
der treue Zeuge (Vers 5).
„Glückselig
ist, der da liest, und die da hören die Worte der
Weissagung und die da halten das in ihr (der Weissagung)
Geschriebene. Denn der Zeitpunkt (die Entscheidungszeit) ist
nahe.“ (1,3)
Die Apokalypse
enthält genau sieben Seligpreisungen (Offb. 1,3; 14,13; 16,15;
19,9; 20,6; 22,7; 22,14). Die erste – in unserer Schriftstelle
– klingt an die Seligpreisung in Lk. 11,28 an: „Glückselig
in der Tat sind die, die das Wort Gottes hören und
bewahren“. Die Seligpreisung gleich am Anfang dieses Buchs
soll uns zweierlei eindrücklich machen: Erstens, dass es
sich in der Apokalypse nicht um eine Belehrung über den Weg zur
Seligkeit handelt, über den Heilsweg, sondern um das glückselige
Los der Knechte Gottes, das in diesem Buch geschildert wird. Es
geht um den Dienst im Königreich des Christus. Dass dieser
Dienst etwas unbeschreiblich Köstliches ist, das ist das Zweite.
Mit welch freudiger
Begier und Erwartung sollte deshalb ein Knecht Jesu Christi dieses
Buch studieren. Schon beim Lesen und Hören genießen wir
diese Glückseligkeit. Wie töricht deshalb, vor einer
gründlichen Beschäftigung mit der Apokalypse zu warnen aus
Furcht vor Missbrauch oder Missdeutung der oft so rätselhaften
Aussprüche. In den ersten Christengemeinden gab es nicht viele,
die die Kunst des Lesens und Schreibens verstanden. Da war es
wichtig, dass das Buch vor versammelter Gemeinde laut gelesen
wurde von einem Vorleser (vgl. 1. Thess. 5,27). Beim Vorlesen
(anaginoskein) handelt es sich nicht um mechanisches Ablesen, sondern
vielmehr um erklärendes Vorlesen mit sprachlichen und sachlichen
Erklärungen (vgl. Lk. 4,16.20–21; Apg. 15,21). Das ganze
Buch wird von dieser Seligpreisung überstrahlt, wie auch die
Schreckensbilder der Gerichte und gewaltiger Weltkatastrophen.
„Worte der
Weissagung.“ Die Apokalypse Jesu Christi besteht aus lauter
Worten der Weissagung oder Prophetie. Weissagung ist nicht Vorhersage
der Zukunft, sondern Verkündigung der göttlichen
Wirklichkeit, die der Glaube wahrnehmen kann durch das Transparent
des prophetischen Wortes hindurch. Weissagung (prophäteia) ist
nicht irgend ein frommer Lehrvortrag, sondern unmittelbare
Botschaft von Gott durch den Mund eines zu diesem Sonderdienst durch
den Geist Gottes befähigten Menschen. „Denn nicht
durch den Willen eines Menschen ward jemals Weissagung gebracht,
sondern vom Heiligen Geist getragen sprechen heilige Menschen
von Gott aus“ (2. Petr. 2,20–21).
Zum rechten Hören
gehört das Halten oder Bewahren (tärein) der Worte der
Weissagung. Die Apokalypse ist weder ein Erbauungsbuch im
flachen, landläufigen Sinn, um fromme Gefühle zu pflegen,
noch ein Orakelbuch oder eine Fundgrube für okkultes
Wissen, sondern eine Gottesbotschaft an die Knechte Gottes mit der
Aufforderung zum Gehorsam und zur Zubereitung zum höchsten
Dienst. Darum wird das glaubensvolle Hören und das gewissenhafte
Halten, Festhalten und Ausleben betont.
„Die
Entscheidungszeit ist nahe.“ Für Zeit werden auch in
der Apokalypse verschiedene Wörter gebraucht:
1. Chronos = Zeitlauf, Zeitraum;
2. aion = der mit einem bestimmten Plan ausgefüllte Zeitabschnitt;
3. kairos = Zeitwende, Zeitkurve, Zeiteinschnitt (von keirein = schneiden).
In unserer Stelle
ist die Zeitwende gemeint, wo das, was werden muss, sich zu erfüllen
beginnt (vgl. Mk. 1,15; 1. Petr. 4,17). Diese Zeitwende wird vom
Standort des Johannes aus als „nahe“ bezeichnet.
Das Nahesein ist keine Kalenderfrage, sondern prophetisches
Zeitbewusstsein. Für den Propheten wird die Zeit transparent,
so dass er die rückläufigen Linien bis zum Anfang
wahrnimmt und die bis zum abschließenden Ende verlaufenden
Linien erschaut. So werden Distanzen überflogen, und Fernes
rückt in die Nähe. Der Glaube schaut lauter erfüllte
Zeit, während der Unglaube sich im Irrgarten der Menschen–
und Zeitgeschichte verliert. Die Entscheidungszeit ist stets
nahe, und was werden muss in Bälde füllt diese
Entscheidungszeit aus.
„Johannes
den sieben Gemeinden in der Asia. Gnade euch und Friede von
»der Seiende und der da war und der Kommende« und
von den sieben Geistern, welche (sind) angesichts
seines Throns.“ (1,4)
Nach der
Buchüberschrift oder dem Thema (Verse 1–3) folgt die
Adresse und der apostolische Segensgruß an die Empfänger
der Apokalypse (Verse 4–6). Diese Widmung beschränkt sich
nicht auf die sieben Sendschreiben, sondern gehört dem ganzen
Buch an (vgl. Kapitel 22,16). Das ganze Buch ist nicht nur an die
Adresse der sieben kleinasiatischen Gemeinden, gerichtet, sondern
stützt sich geradezu auf das heilsgeschichtliche Werden
innerhalb der Gemeinde (vgl. Kapitel 22,16: epi tais Ecclässiais
= auf Grund der Gemeinden).
Der Absender nennt
nur kurz seinen Namen, Johannes, ohne jede Beifügung. Dieser
Umstand spricht dafür, dass mit Johannes nur der bekannte
Apostel und kein anderer Briefschreiber gemeint sein kann. Er war zu
jener Zeit so bekannt, dass die Nennung seines Namens genügte,
um sofort im Bild zu sein. Zudem ist geschichtlich ziemlich
sicher, dass der hochbetagte Apostel Johannes als der einzig
übriggebliebene Apostel diesem durch die sieben Gemeinden
bezeichneten Arbeitsbezirk gedient hat.
Asia war die
römische prokonsularische Provinz Kleinasien. „Die
sieben Gemeinden in der Asia“ waren ein bekannter Begriff,
wie aus der Tatsache geschlossen werden kann, dass dem Schreiber die
Nennung von Namen überflüssig erscheint. Die Siebenzahl,
die hier in der Apokalypse zum ersten Mal erscheint und in dem Buch
eine so entscheidende Rolle spielt, ist nicht zufällig oder gar
willkürlich, sondern unter Gottes Führung geworden als
charakteristische Symbolzahl für alle vollkommenen
Gotteswerke. Den Kreis der sieben Gemeinden in der Asia durfte
Johannes aus eigener Erfahrung in seinem Dienst als ein solches
Vollkommenes erkennen.
Dem prophetisch
apokalyptischen Charakter des Buchs entsprechend ist der
apostolische Segensgruß: „Gnade und Friede“.
Das sind die beiden Pole des ganzen Heilswerks, Gnade der Grund und
Friede das Ziel. Diese Grußformel erinnert an den paulinischen
Segensgruß. In seinem zweiten Brief setzt Johannes zwischen
Gnade und Friede noch ein Mittleres, nämlich Erbarmen, d.h. die
Brücke zwischen Gnade und Friede, die Betätigung der
göttlichen Gnade auf dem Boden der menschlichen Erbärmlichkeit.
In der Apokalypse wird Anfang und Ende betont, das A und das O.
Dem besonderen
Charakter der Apokalypse entsprechend ist auch die eigenartige
Umschreibung des Gottesnamens: „Der Seiende und
der da war und der Kommende“. Im Alten Bund war der
geoffenbarte, nicht auszusprechende Gottesname Jehova oder Jahwe
(vgl. 2. Mo. 3,14: ähejäh = ich werde sein). Hier in der
Apokalypse wird der Gottesname erweitert gemäß der
erweiterten prophetischen Schau in der Kontinuität von
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Alle drei Zeitbegriffe
sind in Gott, dem Ewigen, eins. Er ist zu gleicher Zeit stets der
Seiende, der Gewesene und der Kommende. Als der ewig Seiende ist er
sowohl der Gott der Geschichte, die beständig vorübergeht
und der Vergangenheit verfällt, als auch der Gott der
Vollendung, der beständig Kommende. Paulus sagt von diesem Gott
der Geschichte: „Gekannt von Äon her sind Gott
alle seine Werke“ (Apg. 15,18). Damit will er sagen, dass
für Gott, den ewig Seienden, sowohl Vergangenheit als auch
Zukunft beständig gegenwärtig ist. Er ist der
unveränderlich Seiende als der da war und auch als der
Kommende. Durch diesen umschriebenen Gottesnamen als Ursprung von
Gnade und Friede wird das ganze in der Apokalypse dargestellte
Werden in das göttliche Einheitsband der Ewigkeit (der Seiende)
zusammengefasst und ist verbunden mit der Urschöpfung (der da
war) und mit der Weltvollendung (der Kommende).
So wird in der
Apokalypse der Gottesname in Zeichen (vgl. Vers 1), in einem
Monogramm, dargestellt. Auffallend ist dabei, dass dieses Monogramm
im griechischen Text undekliniert dasteht, also: von „der
Seiende und der da war und der Kommende“.
Zu dem Gottesnamen
fügt Johannes hinzu: „und von den sieben
Geistern, welche angesichts seines Throns“. Ehe in diesem
Segensgruß von Jesus Christus gesprochen wird, werden die
sieben Geister erwähnt, gleichsam als Zwischenglieder. Hier
ist nicht etwa vom Heiligen Geist in seiner Siebenfältigkeit die
Rede, sondern von sieben Throngeistern. Sie bilden die Elite der
Engel– oder Geisterwelt. Es handelt sich hier keineswegs darum,
die immanente göttliche Dreieinigkeit darzustellen, sondern
um Veranschaulichung des göttlichen Weltwirkens vom
Zentrum, vom Thron aus (vgl. 1. Tim. 5,21). Die vom Thron ausgehenden
dynamischen Kräfte werden verwaltet durch diese sieben
Throngeister. Außer diesen gibt es noch Throne und
Herrschaften und Autoritäten und Vollmachten (Kol. 1,16). Diese
sieben Throngeister werden in Ausübung ihrer Mission auch
als sieben Feuerfackeln (Kapitel 4,5) und als sieben Augen (Kapitel
9,6) bezeichnet.
Die Siebenzahl liegt
der Welt schöpfungsmäßig zu Grunde. In der Sieben
kommt das göttliche Schaffen zur Vollendung, zur Sabbatruhe.
So bezeichnet die Sieben den Abschluss einer göttlichen
Schöpfungsökonomie, nicht nur der Urschöpfung, sondern
auch der neuen Schöpfung in Christus. Letzteren Abschluss
behandelt die Apokalypse. Daher ist die Siebenzahl in der Apokalypse
fundamental.
Das ganze Werden bis
zur Vollendung vollzieht sich in Siebenheiten. An der Spitze des
Ganzen stehen die sieben Throngeister. Als Letzter in der Vermittlung
von Gnade und Frieden wird Jesus Christus genannt.
„Und von
Jesus Christus, der treue Zeuge, der Erstgeborene der
Toten und der Fürst der Könige des Landes.“ (1,5)
Entsprechend dem
symbolischen Monogramm Gottes in Vers 4 ist auch das symbolische
Monogramm Jesu Christi in Vers 5 dreiteilig. Und ebenso wie das
erstere kann auch das letztere nicht dekliniert werden. Wie wir
bereits in Vers 4 erkannten, haben wir es hier nicht mit einer
Darstellung der immanenten göttlichen Trinität
(Dreieinigkeit) zu tun, sondern mit der Schilderung des göttlichen
ökonomischen Thronwirkens zur Weltvollendung. Es dreht sich hier
nicht um die Heilsgeschichte, sondern um die Reichsgeschichte,
nicht um Erlösung und Versöhnung, sondern um die Errichtung
des Gottesreichs und die Zubereitung der Mitarbeiter. Daher erscheint
Jesus Christus hier nicht in seiner Wesenheit als der Sohn, sondern
in seinen Funktionen in Verbindung mit dem Gottesreich, in seiner
geschichtlichen Weltstellung.
Als solcher ist er
der Jesus, der als Menschensohn das Erlösungswerk
vollbrachte und als der Christus erhöht wurde auf den Thron zur
Rechten des Vaters, also der Jesus Christus. Das Heilswerk in
Christus wird in der Apokalypse von Anfang bis Ende vorausgesetzt.
Es ist das Fundament der göttlichen Reichsökonomie. Jesus
Christus wird hier nach den drei Hauptcharakterzügen seines
ökonomischen Wirkens gekennzeichnet.
Die drei
ökonomischen Charakterzüge Jesu Christi entsprechen genau
dem Bild, das im Alten Testament von dem verheißenen großen
Davididen gezeichnet wird in Ps. 89,28.38. In Ps. 89 wird die
siegreiche Aufrichtung des ewigen Bundes des davidischen Königtums
beschrieben und dabei besonders die Gnade und Wahrheit Gottes
gerühmt. Wenn nun in der Apokalypse die Königsherrschaft
Jesu Christi dargestellt werden soll, so geschieht es in Verbindung
mit der Verheißung vom ewigen davidischen Königtum.
Auf diesem Boden kommt es zur Auseinandersetzung mit den Weltreichen.
Wenn es sich darum handelt, dass Jesus Christus seine
Königsrechte geltend macht, so geschieht das stets auf dem Weg
des Leidens und Opfers. Er reißt die Herrschaft nicht wie ein
Usurpator mit Gewalt an sich, sondern er erwirbt sein Königreich
von Gott auf dem bestimmten legalen Weg durch den Tod des Kreuzes.
Deshalb ist auch das Lämmlein der Schlüssel zum Verständnis
des Geheimnisses Gottes.
Als solcher ist
Jesus Christus in erster Linie der treue Zeuge. Seine
Königsherrschaft fängt mit dem Zeugnis an. Vor Pontius
Pilatus hat er das gute Bekenntnis seiner Königswürde
bezeugt (vgl. 1. Tim. 6,13; Joh. 18,33–37). Das war zugleich
der erste Zusammenstoß zwischen der Königsherrschaft
Jesu Christi und weltlichem Imperium. So wurde Jesus Christus auch
zum Blutzeugen, zum Märtyrer. Er musste sterben.
Aber er blieb nicht
im Tode. Er wurde der Erstgeborene der Toten. Als Ewiggeborener
oder Einziggezeugter nimmt er unter allen den Vorrang ein (Joh.
1,18), auch als Erstgeborener aus den Toten (vgl. Kol. 1,18). Das ist
sein entscheidender Königssieg über alle Gewalt des Todes.
Und nun ist der Weg
frei zur restlosen Durchführung seiner Königsherrschaft.
Er ist daher auch jetzt der Fürst der Könige der Erde
(oder des Landes). Die Weltherrschaft des Christus–Imperators
geht von Israel, von dem Lande aus. In Kapitel 19,16 erscheint er als
der Königsbräutigam, der von Israel aus über die
Nationen herrscht mit eisernem Zepter. Geht es auch durch große
Gerichte, so ist doch das Ziel die Errichtung eines universalen
Friedensreichs für die ganze Erde. Gnade und Friede kommt durch
ihn zur Herrschaft. Dafür gebührt ihm Danksagung und
Huldigung, wie es im Folgenden zum Ausdruck kommt.
„Ihm, der
uns liebt und löst (andere Lesart: wäscht) aus
unseren Sünden mit (in) seinem Blut, und er macht
uns zu einem Königreich und zu Priestern seinem Gott und Vater.
Ihm sei die Herrlichkeit und die Gewalt in die
Äonenvollendung hinein. Amen.“ (1,5–6)
Werden schon im
apostolischen Segenswunsch die wichtigsten Charakterzüge
Gottes und Jesu Christi angedeutet, die in der Apokalypse bei der
Durchführung der Gottesherrschaft im Vordergrund stehen und
dem ganzen Buch sein besonderes Gepräge verleihen, so werden in
der Doxologie (Verse 5–6) die Grundakkorde angeschlagen für
den großen Siegeshymnus, der das ganze Buch durchtönt.
Wieder haben wir eine Dreiheit, und zwar hier in Beziehung auf
die Heranbildung der Knechte Gottes für das Königreich
durch den König Jesus Christus.
- Das Fundamentale
ist dabei seine alles beherrschende Liebe. „Der uns liebt“,
nicht nur einmal geliebt hat, sondern fortwährend,
unaufhörlich liebt (vgl. Joh. 15,9.13), auch gerade im
Durchrichten (Offb. 3,19), wie es in den sieben Sendschreiben
zum Ausdruck kommt.
- Daher wird zweitens
betont: „und uns löst aus unseren Sünden“.
Ohne wirkliche Befreiung von der Macht der Sünde gibt es keinen
Dienst im Königreich des Christus. Die Lesart: „der
uns wäscht“ ist wohl abzulehnen, da sie nicht recht
zum Zusammenhang passt. Übrigens wird man nicht gewaschen
aus den Sünden, wohl aber von den Sünden. Aber die
Befreiung erfolgt aus den Sünden. Es entspricht dem Reinigen
von den Sünden (1. Joh. 1,7), was ebenfalls durch das Blut Jesu
Christi zustande gebracht wird (vgl. Hebr. 9,14). Dasselbe Blut Jesu
Christi, durch das wir versöhnt worden sind mit Gott und erlöst
von unserer Sündenschuld, ist das Mittel zu unserer wirklichen
Befreiung aus der Sündenherrschaft. Nicht eigene
Anstrengung kann uns frei machen, sondern vertiefte
Gnadenerfahrung, gläubige Aneignung des Verdienstes Jesu
Christi und gläubige Gemeinschaft seines Todes.
- In dem Maß,
in dem er uns lösen und freimachen kann, macht er uns passend
für den künftigen Königspriesterdienst. Er macht
uns tatsächlich zu einem Königreich, zu Priestern seinem
Gott und Vater. In 2. Mo. 19,6 heißt es: „Ihr sollt
mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation
sein“, und in 1. Petr. 2,9 lesen wir: „Ihr aber
seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches
Priestertum, eine heilige Nation“, mit der
Hinzufügung: „ein Volk zur Aneignung (in Vollbesitz
hinein)“. So wie die Tempellinie durch Israels Verstockung
an die Gemeinde übergegangen ist (vgl. 2. Kor. 6,16), so auch
der Königspriesterdienst. Wohl sagt Paulus in Röm. 11,29
im Blick auf Israel: „Denn unbereubar sind die
Gnadengaben und die Berufung Gottes“, aber es können
Berufsziele verfehlt werden. Gott sorgt dann schon dafür, dass
ein Ersatz nach seiner Gnadenwahl die Berufung überströmend
zur Erfüllung bringt. „Seinem Gott und Vater“
kennzeichnet die ganze herrliche Größe der
Erfüllung.
Hier in Kapitel 1,6
wird das große Thema und damit die einzelne Tendenz, das
angestrebte Ziel des ganzen Buchs gezeigt: Die Erziehung der
Überwindergemeinde zum Königspriesterdienst. Dass dieses
Thema die Hauptlinie ist, die das ganze Buch durchzieht, wird am
Schluss desselben bekräftigt durch den Herrn selber, wenn er
bezeugt: „Ich, Jesus, sende meinen Engel, euch dieses
tatsächlich zu bezeugen (Aorist) über
die Gemeinden“ (Kapitel 22,16). Es heißt da nicht:
„an die Gemeinden“, wie es wohl unrichtig übersetzt
wird, sondern: „über (epi mit Dativ) die
Gemeinden;“ (zu „bezeugen über“ vgl.
Hebr. 11,4).
„Ihm sei
die Herrlichkeit und die Gewalt in die Äonenvollendung
hinein. Amen.“ (1,6; vgl. 1. Petr. 4,11)
Die Majestät
und Reichsgewalt gebührt ihm. „Er muss königlich
herrschen, bis er alle seine Feinde unter seine Füße
gelegt hat. Wenn aber das All ihm untergeordnet ist, dann wird
auch der Sohn selber untergeordnet sein dem, der ihm das All
unterordnet, auf dass Gott sei alles in allem“ (1.
Kor. 15,25.28). Der Ausdruck: „in die Äonen der Äonen“
ist ein Hebraismus, ähnlich wie die Bezeichnung des
Allerheiligsten im Tempel als „Heiligtümer
der Heiligtümer“ (Hebr. 9,3). Wie letzteres nicht eine
unendliche Reihe von Heiligtümern hintereinander bezeichnen
soll, so meint auch der Ausdruck „Äon der Äonen“
nicht eine unendliche Reihe von Äonen hintereinander,
sondern ein Vollendungsziel, ein Allerheiligstes der Äonen, die
Äonenvollendung. Diese wird erreicht, wenn Gott sein wird
alles in allem. Mit einem feierlichen Amen schließt Johannes
selber das Grußwort.
„Siehe! Er
kommt mit den Wolken, und sehen wird ihn jedes Auge, auch die,
welche ihn durchstechen, und wehklagen werden über ihn
alle Stämme des Landes.Ja, Amen!“ (1,7)
In diesem Wort sucht
Johannes im prophetischen Geist das bisherige prophetische
Zeugnis von dem zweiten Kommen des Menschensohns
zusammenzufassen. Wir finden hier eine gerade Linie von Dan. 7,13 und
Sach. 12,10 über Mt. 24,30 (26,64) und Joh. 19,37 bis Offb. 1,7.
Es ist nicht gerade das Thema der ganzen Apokalypse, aber wohl
will der Verfasser den Blick auf den Kardinalpunkt ausrichten.
Deshalb beginnt er mit der Aufforderung: „Siehe!“ Es
handelt sich um das Wiederkommen des Menschensohns in engster
Verknüpfung mit dem, was sein erstes Kommen erbracht hat. Er
kommt wieder als der Gekreuzigte und nun über alles
Herrschende. Dadurch wird das große messianische Rätsel
für das alttestamentliche prophetische Schauen gelöst. Auf
dem Boden der alttestamentlichen Prophetie war das Kommen des Messias
noch nicht differenziert. Man erwartete nur ein einziges Kommen in
königlicher Herrlichkeit und Gewalt zur Aufrichtung des
Reichs.
Das Bild des
leidenden, ja des durchstochenen Messias war ein quälendes
Rätsel. Jesus gab seinen Jüngern die Lösung, aber für
das jüdische Volk bleibt die Decke auf ihren Herzen beim Lesen
des Alten Bundes bis sie einst fortgenommen werden wird (2. Kor.
3,14–16).
Johannes lenkt nun
den Blick auf dieses zukünftige große Ereignis mit
seinen gewaltigen Auswirkungen. Durch das Kommen des Herrn mit den
Wolken wird ein radikaler Szenenwechsel eintreten. Jedes Auge
wird ihn sehen, auch die, welche ihn durchstechen, und der Erfolg
wird sein, dass alle Stämme des Landes über ihn wehklagen
werden. Hier stehen wir wieder vor einem neuen Rätsel. Wir
fragen uns, ob dies allgemeine Wehklagen schon zur radikalen
Volksbuße führen wird, wie wir es nach den prophetischen
Aussagen erwarten müssen (vgl. Sach. 12,10–14). In der
Apokalypse erhalten wir ein scheinbar ganz anderes Bild von
Israels Volkswiedergeburt, und doch besteht kein Widerspruch zwischen
der in Kapitel 1,7 zusammengefassten alttestamentlichen
prophetischen Erwartung und dem endgeschichtlichen Bild der
Apokalypse. Letzteres ist die weitere Enthüllung Jesu
Christi.
Beachten wir, dass
zunächst der Schmerz, das Wehklagen betont wird. Das mag
schon andeuten, dass die eigentliche radikale Wiedergeburt erst nach
großen und schweren Gerichtswehen erfolgen wird. Mit „Ja,
Amen“ schließt dieser Ausspruch, um die Wichtigkeit
und Zuverlässigkeit desselben zu betonen. Die doppelte
Versicherung in griechischer (ja) und hebräischer (amen) Sprache
ist das Echo der universalen Gemeinde. Die Verbindung dieser beiden
Aussprüche ist wichtig und für das Verständnis der
Apokalypse entscheidend; denn es handelt sich in ihr um die
Darstellung des Königspriesterdienstes der Gemeinde
zunächst an Israel und nach der Wiederherstellung Israels
als Braut und Frau des Lammes, als neues Jerusalem vom Himmel her, um
die Welterneuerung und Weltvollendung.
So finden wir die
ungebrochene große Linie wieder, dass die Rettung der Nationen
von Zion–Jerusalem ausgehen soll. Der Grundsatz: „Das
Heil kommt von den Juden“ bleibt und wird bis zuletzt
durchgeführt. Welche Berufung dabei die aus den Juden und
Nationen herausgerufene Gemeinde zu erfüllen hat, das ist
bereits klare paulinische Lehre, die wir in der Apokalypse
endgeschichtlich dargestellt wiederfinden. Das Thema könnte
demnach lauten:
Der
Königspriesterdienst der Gemeinde zur
Wiederherstellung Israels und zur Weltvollendung.
Trotzdem steht aber
die Gemeinde und auch Israel nicht im Mittelpunkt der Darstellung,
sondern der kommende Christus: „Siehe! Er kommt mit den
Wolken“. Die Wolke wird nicht mehr, wie im Alten Bund, die
Herrlichkeit verhüllen, sondern sie wird gleichsam sein Thron
sein. Er kommt nicht in der Wolke, sondern mit den Wolken, für
alle sichtbar. In Kapitel 14,14 heißt es: „Siehe, eine
weiße Wolke, und auf der Wolke hinsitzend einen gleich einem
Menschensohn“. In Kapitel 14,15 sitzt er bereits auf der
Wolke. Das Sitzen auf der Wolke ist ein Bild der völligen
Herrschaft über die Wolke. Die Wolke an sich ist ein Bild sowohl
des Gerichts als auch des Segens. Mit den Wolken kommen (vgl. Mk.
14,62) weist hin auf seine Funktion als Richter. Wie die
Richterherrlichkeit des Herrn sich auswirkt auf die Gemeinde,
auf Israel, auf die Nationenwelt, das erfahren wir in der Apokalypse.
- Ehe Israels
Wiederbringung stattfinden kann, muss die Gemeinde
durchgerichtet und zur Vollreife des vollkommenen Mannes, zum Maß
des Vollwuchses der Fülle des Christus gekommen sein.
- Und ehe es zur
Welterneuerung kommen kann, muss aus der großen Hure, der
Babel, die Frau des Lämmleins, das neue Jerusalem geworden
sein.
Das alles wirkt der
mit der Wolke Kommende. Mit gespannter Erwartung schaut das
Glaubensauge nach ihm aus.
Es ist auffallend,
welches Gewicht auf die Erfüllung der speziell
israelitischen Heilserwartung gelegt wird. Daraus dürfen wir
allerdings nicht den Schluss ziehen, dass es sich in der Apokalypse
ausschließlich um jüdische Eschatologie handelt. Wohl aber
soll der Blick auf die Bedeutung der israelitischen Volkswiedergeburt
gelenkt werden. Im Zusammenhang damit müssen wir im Auge
behalten, dass es kurz vorher heißt: „Er macht uns zu
einem Königreich und zu Priestern seinem Gott und
Vater“.
„Ich bin
das Alpha und das Omega, spricht Kyrios, der Gott, der Seiende
und der war und der Kommende, der Allgewaltige.“ (1,8)
Damit drückt
der Herr selber das Siegel auf diese Herzenseinstellung des
gläubigen Ausschauens nach der Erfüllung der Prophetie. Wer
ist nun dieser „Ich (ego) bin“? In Vers 17 wird
derselbe Ausdruck von Christus gebraucht, den Johannes in seiner
Richterherrlichkeit geschaut hat. Der Satz in Vers 11: „Ich
bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte“
fehlt in den besseren Handschriften. In Kapitel 21,6 sagt der auf
dem Thron Sitzende: „Ich bin das Alpha und das Omega, der
Anfang und das Ende“. Aus den angeführten Stellen geht
hervor, dass diese Titel sowohl Gott, dem Vater, als auch Christus,
dem Sohn, eignen. Als das Wort (logos) ist Christus der Offenbarer
des unsichtbaren Gottes; also ist alles, was sichtbar, erkennbar wird
von Gott, auch die Gesichte in der Apokalypse von dem Thronenden,
durch Christus vermittelt. So erklärt sich auch, dass die obigen
Titel sowohl dem unsichtbaren Gott als auch dem erscheinenden
Christus beigelegt werden.
In Christus tritt
Gott, der „Ich bin“ oder „der Seiende“,
in die Erkennbarkeit ein, als das Alpha und das Omega, der Erste und
der Letzte, der Anfang und das Ende. Alpha und Omega sind der erste
und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. Die Formel
Alpha und Omega bezeichnet den ganzen Schriftinhalt von A bis Z.
Christus ist der Inhalt der Offenbarungsgeschichte der Heiligen
Schrift. Er sagt von den Heiligen Schriften: „Dieselben sind
es, die von mir zeugen“ (Joh. 5,39). Im Anschluss an Vers
7, wo von der Erfüllung des prophetischen Wortes die Rede ist,
ist es verständlich, dass der Blick gelenkt wird auf Christus,
den Erfüller selbst, das Alpha und das Omega.
„Spricht
Kyrios, der Gott“. In seinem Evangelium betont Johannes
von vornherein die Gottheit Christi, wenn er sagt: „Im
Anfang war das Wort, und das Wort war zu Gott hin, und das Wort
war Gott“ (ohne Artikel). „Der Seiende, der da war
und der Kommende“ ist derselbe Titel, wie in Vers 4
von Gott ausgesagt wird. Dieser Ausdruck wird im Lauf der Darstellung
differenziert in „der Erste und der Letzte“, „der
Anfang und das Ende“. Er umfasst Zeit und Raum,
Geschichte und allumfassende Herrschaft.
Als Erfüller
ist er der Allgewaltige oder Allherrscher (pantokrator). Dieser Name,
der für die Apokalypse charakteristisch ist, und sonst nur noch
einmal, von Paulus, gebraucht wird (2. Kor. 6,18), kommt dem Herrn
zu, weil er derjenige ist, dem alle Vollmacht vom Vater übergeben
wurde (vgl. Mt. 28,18). „Aus ihm und durch ihn und in
ihn hinein ist das All“ (Röm. 11,36). „Das
All ist durch ihn und hinein in ihn erschaffen, und er selbst
ist vor allem, und das All besteht zusammen in ihm“
(Kol. 1,16–17). Ihm gebührt die Herrlichkeit und die
Gewalt (kratos) in die Äonenvollendung hinein (vgl. Vers 6).
Daher ist er auch der Allgewaltige, der Pantokrator (vgl. Offb. 4,8;
11,17; 16,7.14; 19,6.15; 21,22).
|