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Schriftenmission-Langenberg.deDie Wirksamkeit des Propheten Hesekiel
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Für Hesekiel begann von der Zerstörung Jerusalems an die Zeit seiner besonderen
Mission. Er wurde der Prophet des Exils, der geistige Führer der jüdischen
Gemeinde in Babel. Hesekiel musste viel Not und Elend erleben. Insofern war er
seinem durch Deportation gebeugten Volk nicht nur innerlich, sondern auch
äußerlich sehr nahe.
Gericht und Heil sind zwei Schwerpunkte seines prophetischen Wirkens, auf die Heinrich Langenberg besonders hinweist. Während in den Kapiteln 1 - 24 vor allem Gerichtsweissagungen zu finden sind, kommen in den Kapiteln 25 - 48 vorwiegend Heilsweissagungen vor. Hesekiel endet mit dem Ausblick auf die wiederhergestellte theokratische Herrlichkeit inmitten seines Volkes. Ihr angepasst ist die Form der Offenbarungsmitteilung, die seiner priesterlichen Vorstellungswelt so nahe liegende, dem Tempelkultus entlehnte, großartige Symbolik.
Brosch., 480 Seiten, 27,00 € |
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Alles war dem Überrest Israels zerschlagen worden. Jerusalem war zerstört,
der Tempel lag in Trümmern. Das Erbland war verwüstet. Die letzten Hoffnungen
wurden vollends durch die Reden Hesekiels zertrümmert. Das davidische Königtum
war zusammengebrochen. Die Hirten des Volkes sollten ihres Amtes enthoben
werden. Alle Anstrengungen zur moralischen Besserung und Erhebung aus dem
Elend waren erfolglos, selbst die durch den Eindruck der furchtbaren
Gerichtskatastrophe hervorgerufene Beugung und Bußstimmung brachte keine
wirkliche Herzensbekehrung zustande. Die vollständige Ohnmacht und der
gänzliche Unwert Israels war offenbar geworden. Aber nun war auch der Boden
bereitet für die Heilsbotschaft, dass Gott etwas ganz Neues schaffen wolle,
etwas, was nur Gott allein bewirken kann, eine Neuschöpfung. Was der Prophet
jetzt zu verkündigen hat, ist dasselbe, was Jesus dem Nikodemus gesagt, die
Botschaft von der Geburt aus Wasser und Geist (vgl. Joh. 3).
"Und ich werde reines Wasser über euch sprengen,
dass ihr rein werdet von allen euren Unreinigkeiten,
und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen."
(36,25)
Das in sein Land zurückgeführte Israel soll als Gottesvolk durch die
Wasserbesprengung gereinigt und geweiht werden. Verschiedene solcher
Reinigungszeremonien kannte man im Alten Bunde (vgl. 3. Mo. 15,19ff.;
4. Mo. 19). Alle diese Waschungen und Besprengungen hatten symbolischen
Charakter und sollten die Reinigung von der Sünde und Schuld darstellen.
Sie konnten jedoch eine wirkliche Reinigung nicht bewirken. Diese will Gott
selber zustande bringen und reines Wasser über sein Volk sprengen. Das wird
eine gründliche Herzensreinigung sein von allen Unreinigkeiten und
Götzendienst. Es handelt sich nicht nur um Sündenvergebung, sondern um
Reinigung von den Sünden und ein Leben der Heiligkeit. Dazu gehört allerdings
eine radikale Herzenserneuerung, damit ein neues Lebenszentrum geschaffen
wird.
"Und ich werde euch ein neues Herz verleihen und
einen neuen Geist in euer Inneres legen und werde
das steinerne Herz aus eurem Leibe entfernen und
euch ein fleischernes Herz verleihen."
(36,26)
Was in Kapitel 11,18 bereits verheißen war, das soll Wirklichkeit werden.
Nunmehr ist der Weg gebahnt und ein besseres Verständnis möglich. Das neue
Herz und der neue Geist bilden zusammen das neue Lebenszentrum (vgl. Hes.
18,31), die religiöse Wiedergeburt des Volkes. Das Herz von Stein, das auf die
Mahnungen der Propheten nie hatte hören wollen, soll entfernt werden, und
stattdessen soll Israel ein fleischernes Herz empfangen, welches das Wort
Gottes willig aufnimmt. Der neue Geist ist die neue Gesinnung, die darauf
bedacht ist, Gottes Willen zu erfüllen. Dies alles wird ermöglicht durch
Mitteilung des Geistes Gottes.
"Und ich werde meinen Geist in euer Inneres legen
und schaffen, dass ihr nach meinen Satzungen wandelt
und meine Ordnungen beobachtet und danach
tut."
(36,27)
Der Geist Gottes ist das neue Lebensprinzip, die Kraft, die Befähigung, der
Motor des Lebens. Der Erfolg wird ein gottwohlgefälliger Wandel in den
Satzungen und Ordnungen Jehovas sein (vgl. Hes. 11,20). So wird Israel, durch
die Gnade Gottes geheiligt und mit der Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet,
die Gebote halten.
"So sollt ihr dann wohnen bleiben im Lande, das ich
euren Vätern verliehen habe, und sollt mein Volk sein
und ich will euer Gott sein."
(36,28)
Es ist also eine wiederhergestellte Theokratie mit ihren verheißungsmäßigen
Segnungen und Vorrechten. Der Glückszustand des Volkes hat seinen Grund in der
innigen Lebensgemeinschaft mit Gott und den daraus fließenden Segnungen im
Lande Kanaan.
"Und ich werde euch von allen euren Unreinigkeiten
befreien und werde dem Getreide rufen und es mehren
und werde keine Hungersnot mehr über euch verhängen.
Und ich werde die Früchte der Bäume und
den Ertrag der Felder mehren, damit ihr nicht noch
einmal die Schmach einer Hungersnot unter den Völkern
auf euch nehmen müsst."
(36,29–30)
Eine Wiederherstellung paradiesischer Zustände wird diese Segnung Israels
sein. Ausdrücklich wird noch einmal zusammenfassend betont, dass eine
Reinigung von allen Unreinigkeiten die Voraussetzung bildet. Eine Wiederkehr
der Schmach vor den Heiden durch Gerichte wird dann nicht mehr stattfinden
(vgl. Kapitel 34,29).
"Da werdet ihr dann an euren bösen Wandel denken
und an eure Werke, die nicht gut waren, und wer
det vor euch selbst Ekel empfinden wegen eurer Ver
schuldung und wegen eurer Gräuel."
(36,31)
Erst dann, wenn Israel die überwältigende Gnade und Liebe Jehovas erfahren hat,
wenn es in der Fülle des Segens den wahren Charakter Jehovas erkennen wird,
dann wird es recht zum Bewusstsein seiner Schuld kommen und Ekel vor sich
selber empfinden (vgl. Hes. 20,43). Dieses ist noch etwas anderes als die unter
dem Eindruck des Gerichts entstandene Reue (vgl. Hes. 6,9). Die Reue des
verlorenen Sohnes bei den Trebertrögen war eine andere als die, da er am Herzen
des Vaters zusammenbrach (vgl. Lk. 15,17–21).
Diese Lektion lernt man nur im vollen Verständnis der Gnade. Die ganze
Abscheulichkeit der Sünde und damit der Ekel vor sich selber kommt uns da erst
zu Bewusstsein. Ja noch mehr, da wird der Mensch erst fähig, theozentrisch zu
denken und zu empfinden, zu verstehen, dass sich im letzten Grunde alles nur
um die Verherrlichung Gottes dreht und nicht um unser Wohl und Wehe. Auch der
Gläubige muss da noch einmal umlernen und erkennen, dass er nur ein unnützer
Knecht gewesen ist mit seinem besten Wollen und Tun (vgl. Lk. 17,10).
"Nicht euretwegen schreite ich ein, spricht der Herr Jehova.
Das sei euch kund! Schämt euch und errötet über euren Wandel,
ihr vom Hause Israel."
(36,32)
Das ganze Heilswerk geschieht ausschließlich zur Verherrlichung Gottes
(vgl. Vers 22; Eph. 1,12). Nur von diesem Standpunkt aus verstehen wir die
rätselhaften Regierungswege Gottes mit den Menschen und seine letzten
Heilsziele. Wir müssen alles Dreinreden wohl unterlassen, und uns bleibt nur
übrig, uns zu schämen und zu erröten über unseren Wandel. Israel wird den
Völkern diese Wahrheiten praktisch vor Augen führen.
"So spricht der Herr Jehova: An dem Tage, da ich euch
von allen euren Verunreinigungen reinige, da werde
ich die Städte wieder bevölkern, und sollen die
Trümmer wieder aufgebaut werden. Und das verödete
Land wird bestellt werden, anstatt dass es bisher
wüste lag vor den Augen eines jeden, der vorüberzog."
(36,33–34)
Israel soll ein Zeugnis für Jehova sein vor den Augen der Völkerwelt. Dazu
muss Kanaan, das Erbe Israels, wieder hergestellt und zu einer würdigen
Wohnung des Gottesvolkes eingerichtet werden.
"Und man wird sagen: Dieses Land, das verödet war, ist wie der Garten Eden
geworden, und die Städte, die in Trümmern lagen, verödet und zerstört waren,
sind wohl befestigt und bewohnt. Da werden dann die Völker, die rings um euch
übrigbleiben werden, erkennen, dass ich, Jehova, das Zerstörte wieder gebaut,
und das Verödete wieder bepflanzt habe. Ich, Jehova, habe es geredet und werde
es vollführen."
(36,35–36)
Aus dem Anschauungsunterricht werden die Völker die Macht und Heiligkeit
Jehovas lernen, nachdem sie auch an sich selber das Gottesgericht erfahren
haben. Was Eden war in der Urgeschichte der Menschheit, das wird das Kanaan
der messianischen Heilszukunft sein, das Zentrum des Segens für die
Völkerwelt.
"So spricht der Herr Jehova: Auch darin werde ich
mich noch vom Hause Israel erbitten lassen, dass ich
es ihnen erweise: Ich will sie zahlreich machen an
Menschen, wie eine Herde von Schafen. Wie das Heiligtum
von Opferschafen, wie Jerusalem an seinen
Festzeiten von Schafen, so sollen die verödeten Städte
voll sein von Menschenherden, damit sie erkennen,
dass ich Jehova bin."
(36,37-38)
Nachdem die Qualität der Neuschöpfung ausführlich beschrieben worden ist,
bleibt noch die Frage nach der Quantität oder dem Umfang derselben zu
beantworten. Israel war sehr klein und gering geworden. Wird da das Israel
der Heilszeit nicht zahlenmäßig sehr schwach sein? Darauf wird zunächst
geantwortet mit einer Verheißung großer Vermehrung (vgl. Vers 10). Israel
soll so zahlreich werden wie die Opferschafe zu den Festzeiten in Jerusalem.
Das Wie in dieser Frage wird in Kapitel 37 erörtert.