Das Prophetische Totalbild - Neuauflage 2001
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Es bietet eine übersichtliche Zusammenstellung der prophetischen Schriften von Jona bis Maleachi. Von diesem Gesamtüberblick fällt helles Licht auf den ersten Teil der Heiligen Schrift und auch auf die späteren Schriftpropheten bis hinein in Neue Testament.
Heinrich Langenberg weist ein seinen Ausführungen besonders auf den heilsgeschichtlichen Zusammenhang hin: "Das Kreuz Christi steht von Anfang an im Zentrum prophetischer Schau. Das Geheimnis des Kreuzes war und ist bis zum Ende Kern und Stern der Prophetie."
Brosch. 72 Seiten, EUR 5,11
Bestellnummer: 1190
ISBN: 3-8311-2251-2
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Ausschnitte zum Probelesen
Inhalt
I. |
Einleitung |
7 |
II. |
Das prophetische Totalbild |
14 |
III. |
Der Prophet Jona |
15 |
IV. |
Der Prophet Obadja |
16 |
V. |
Der Prophet Joel |
17 |
VI. |
Der Prophet Amos |
19 |
VII. |
Der Prophet Hosea |
21 |
VIII. |
Der Prophet Micha |
25 |
IX. |
Der Prophet Jesaja |
27 |
X. |
Der Prophet Nahum |
40 |
XI. |
Der Prophet Habakuk |
41 |
XII. |
Der Prophet Zephanja |
42 |
XIII. |
Der Prophet Jeremia |
44 |
XIV. |
Die Klagelieder Jeremias |
49 |
XV. |
Der Prophet Hesekiel |
50 |
XVI. |
Der Apokalyptiker Daniel |
56 |
XVII. |
Der Prophet Haggai |
63 |
XVIII. |
Der Prophet Sacharja |
63 |
XIX. |
Der Prophet Maleachi |
68 |
Hinweis zum Gottesnamen "Jehova"
Schriftgrösse im Buch: 12
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Wenn Jesus zu den Judäern, die seine Messianität ablehnten, sagt: "Erforschet die Schriften, weil ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben, und gerade jene sind es, die von mir zeugen, und nicht wollt ihr zu mir kommen, auf daß ihr Leben habt" (Joh. 5, 39. 40), so erinnert er damit an die große gerade Linie, die Christuslinie, die sich durch die ganze Heilige Schrift, vor allem durch die Propheten, von Anfang bis Ende hindurchzieht. Allerdings gehört zu dieser Erkenntnis ein ehrliches Forschen und Suchen. Der Denksinn muß dem gläubigen Schriftforscher dafür geöffnet werden. So lesen wir in Luk. 24 von den Emmausjüngern, die der Auferstandene schelten mußte: "O, ihr Unverständigen und schwerfälligen Herzens, zu glauben, gestützt auf alles, was die Propheten sagen." Mußte nicht der Christus dieses leiden und in seine Herrlichkeit eingehen, und indem er anfing von Moses und allen Propheten, legte er ihnen in allen Schriften das ihn Betreffende aus" (V. 25-27). "Er aber sagte zu ihnen: Dies sind meine Worte, die ich zu euch redete, als ich noch mit euch zusammen war, daß erfüllt werden muß alles, was von mir geschrieben ist in dem Gesetz Moses und den Propheten und Psalmen. Dann öffnete er ihren Denksinn, um die Schriften zu verstehen" (V. 44 u. 45).
Nicht nur die prophetischen Schriften reden von Christus, etwa nur in den sogenannten messianischen Verheißungen, sondern das ganze Alte Testament, die fünf Bücher Moses, die prophetischen Schriften und die Psalmen. Selbst die Propheten mußten gründlich forschen, um diese große Christuslinie in den Schriften zu finden und zu verstehen. "In Betreff welchen Heils Propheten ernstlich suchten und forschten, die von der Gnade, die in euch hinein ist, weissagen, forschend, in welche oder was für eine Zeitwende hinein der Geist Christi in ihnen es offenkundig machte, indem er vorher bezeugt die Leiden in Christus hinein und die Herrlichkeiten nach diesem. Denen es geoffenbart wurde, daß sie nicht sich selber, sondern euch mit dem dienten, was euch nun verkündigt worden ist durch die, welche euch evangelisieren vermittelst Heiligen Geistes, geschickt vom Himmel, in was Engel sich hineinbückend zuschauen begehren" (l. Petr. 1, 10-12). Nicht nur eine allgemeine Heilslinie zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Schrift, auch nicht nur eine messianische Verheißungslinie als Zeugnis von Christus, sondern, und das ist das Entscheidende, die große prophetische Linie, die von der Notwendigkeit der Leiden in Christus hinein zeugt und von den Herrlichkeiten danach.
Das Kreuz Christi steht von Anfang an im Zentrum prophetischer Schau. Das Geheimnis des Kreuzes war und ist bis zum Ende Kern und Stern der Prophetie. So verstehen wir es auch, daß auf dem Verklärungsberge Moses und Elias, die Repräsentanten von Gesetz und Propheten, in Herrlichkeit erschienen und Seinen Ausgang besprachen, den Er in Jerusalem zu erfüllen im Begriff stand (Luk. 9, 31). Der Geist Christi war bereits in ihnen und bezeugte vorher die Leiden in Christus hinein und die Herrlichkeiten danach. Aber das Geheimnis des Kreuzes, die große Wende der Zeit, mußte ihnen vollends erschlossen werden vom Ziele, von der Herrlichkeit aus. In den alttestamentlichen prophetischen Schriften herrscht also die Spannung zwischen Verheißung und Erfüllung. Bei der Zeichnung des prophetischen Totalbildes dürfen auch wir diese Spannung nicht zerstören, indem wir ohne weiteres die neutestamentliche Erfüllung vorwegnehmen und in das Alte Testament hineinerklären. Dadurch würden wir uns das tiefere Verständnis für das historisch genetische Werden des prophetischen Totalbildes verschließen und vor allem nicht erkennen, warum das Kreuz Christi eine absolute göttliche Notwendigkeit für die Durchführung des Heils war und ist und sein wird. Dieses Zeugnis Jesu ist der Geist der Prophetie (Offb. 19, 10). Das Geheimnis des Kreuzes im Lichte der Auferstehung Jesu ist die Zentralachse der Offenbarung der ganzen Heiligen Schrift Alten Testaments in Gesetz und Propheten.
In 5. Mose 32, dem Liede Moses (V. 44), ist bereits der Grundgedanke der Prophetie niedergelegt: Die Gnade Gottes zur Durchführung seiner Heilsgedanken trotz Israels Unvermögen, die Gerechtigkeit des Gesetzes zu erlangen. Der Urgrund der Liebe Gottes in der Erwählung Israels, ist Gottes Gnade und Treue, die unwandelbar ist und auch durch des Menschen Untreue nicht aufgehoben werden kann. Röm. 3, 3 heißt es: "Was denn? Wenn etliche ungläubig sind? Möge ihr Unglaube den Glauben (die Treue) Gottes ja nicht aufheben! Das geschehe ja nicht!" 2. Tim. 2,13: "Wenn wir ungläubig sind, bleibt jener treu; denn sich selbst verleugnen kann er nicht". Das Heilsziel steht fest. Aber weil Gott heilig und gerecht ist, muß er mit dem Sünder ins Gericht gehen, jedoch am Ende wird die Gnade triumphieren über das Gericht (Jak. 2, 13).
Israels Bekehrung und Wiederherstellung durch Gericht und Gnade und durch das erneuerte Israel die Segnung der Nationen ist von Anfang an das Ziel der prophetischen Verkündigung (vgl. 1. Mose 9, 27; 12, 2 f; 49, 10). Mose hat als Prophet schon die ganze Zukunftsgeschichte Israels in ihren Grundzügen überschaut: Israels Verbannung unter die Heiden (3. Mose 26, 33: "Euch aber werde ich unter die Nationen zerstreuen, und ich werde das Schwert ziehen hinter euch her; und euer Land wird eine Wüste sein und eure Städte eine Öde"); Israels Schwächung bis zum elenden Überrest (5. Mose 4, 27: "Und Jehova wird euch unter die Völker zerstreuen, und ihr werdet ein Überrest sein, eine zählbare Mannschaft unter den Nationen, wohin Jehova euch führen wird"); des Volkes Götzendienst und religiösen Bankerott (5. Mose 28, 36: "Jehova wird dich und deinen König, den du über dich setzen wirst, zu einer Nation führen, die du nicht gekannt hast, du noch deine Väter, und du wirst daselbst anderen Göttern dienen, Holz und Stein"); das ganze Elend des Exils, der Verbannung (5. Mose 28, 36 ff) und die schließliche Bekehrung und Wiederherstellung Israels (5. Mose 30, 4-6: "Wenn deine Vertriebenen am Ende des Himmels wären, so wird Jehova, dein Gott, von dannen dich sammeln und von dannen sich holen; und Jehova, dein Gott, wird dich in das Land bringen, welches deine Väter besessen haben, und du wirst es besitzen; und er wird dir wohltun und dich mehren über deine Väter hinaus. Und Jehova, dein Gott, wird dein Herz und das Herz deines Samens beschneiden, damit du Jehova, deinen Gott, liebest mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele, auf daß du am Leben bleibest"). So ist die Geschichte Israels der große Anschauungsunterricht für die Völkerwelt, um Gottes Heilspläne und Regierungswege zu offenbaren. Hierbei wird das Problem der Überwindung der Spannung zwischen Gottes Absolutheit und Alleinmacht einerseits und des Menschen Versagen und Verantwortlichkeit andererseits und die bestimmte Erreichung des Heilszieles als ein heiliges Rätsel dem prophetischen Geist zur Lösung aufgegeben. Diese Lösung hängt zusammen mit dem Geheimnis des Kreuzes, dem Leben aus Toten. Um die Lösung dieses Problems ringen die Propheten mit zunehmender Klarheit.
Die Verschiedenheit der Aufgabe von Gesetz und Propheten. Das Gesetz stellt die Grundsätze der Gottesherrschaft auf: Gericht über die Sünde (Röm. 7, 13: "die Sünde, auf daß sie als Sünde erscheine, indem sie durch das Gute mir den Tod bewirkte, auf daß die Sünde durch das Gebot gemäß Übermaß sündig würde"), das zur Verurteilung des Menschen führt (Röm. 7, 24: "Elender, ich, Mensch, wer wird mich herausreißen aus dem Leibe dieses Todes?"), durch Offenbarung des heiligen Gotteswillens: "Ihr sollt heilig sein; denn ich bin heilig" (3. Mose 11, 44 f; 19, 2; 20, 7). Das Gesetz ist ein Zuchtmeister auf Christum hin (Gal. 3, 19 bis 25) und hat daher pädagogische Bedeutung. Der Aufbau der Gottesherrschaft (Theokratie) hat den Zweck, den von Gott abgefallenen Menschen zu Gott zurückzubringen und einzufahren in die wahre Sabbatruhe. So wird die Geschichte des Paradieses wieder aufgenommen, aber, mit dem Resultat, daß der völlige Bankerott des ohnmächtigen Menschen evident wird durch den Tod der Generation des Bundesschlusses vom Sinai in der Wüste. (4. Mose 14, 21-23: "doch aber, so wahr ich lebe und von der Herrlichkeit Jehovas erfüllt werden wird die ganze Erde; wenn alle die Männer, die meine Herrlichkeit und meine Zeichen gesehen haben, welche ich in Ägypten und in der Wüste getan, und mich nun zehnmal versucht und nicht gehört haben auf meine Stimme, das Land sehen werden, das ich ihren Vätern geschworen habe. Ja, alle die mich verachtet haben, sollen es nicht sehen"). Selbst Mose mußte sterben, ohne ins Land der Verheißung hineingekommen zu sein.
Der Prophetismus stellt eine neue Stufe in der Erziehung Israels zur Theokratie dar. Die Propheten hatten die geistliche Führung in der geschichtlichen Verwirklichung der theokratischen Grundsätze, jedoch auch mit demselben Resultat des völligen Mißlingens. Unter Mose war Israel nicht zur Ruhe gekommen (5. Mose 12, 9: "Denn ihr seid bis jetzt noch nicht zur Ruhe und zu dem Erbteil gekommen, das Jehova, dein Gott, dir gibt"; vgl. Ps. 95, 11), aber auch unter der Leitung der Propheten, mit Josua an der Spitze, ist Israel nicht zur Ruhe gelangt (Hebr. 4, 8). Erst Christus sollte der wahre Ruhebringer sein (l. Mose 5, 29). Der Unterschied des Prophetismus vom Mosaismus ist jedoch trotz des scheinbar selben Resultates ein großer und besteht darin, daß er das an kein Gesetz gebundene göttliche Organ war zur Weiterführung der göttlichen Offenbarung, wohl auf Grund des Gesetzes, aber in geschichtlicher Entwicklung über die Gesetzeshaushaltung hinausweisend.
Die Heilige Schrift unterscheidet frühere und spätere Propheten. Die früheren oder vorderen Propheten sind die Bücher Josua, Richter, 2 Samuelis und 2 der Könige. Die späteren oder hinteren Propheten sind die sogenannten Schriftpropheten von Jesaja bis Maleachi, ohne Daniel. Das Buch Daniel nimmt als Apokalypse eine Sonderstellung ein. Alle diese Schriften haben, ebenso wie das Gesetz (die fünf Bücher Moses), einen typischen, auf Christum hinweisenden Charakter. Die Aufgabe der früheren Propheten bestand in der geschichtlichen Durchführung der theokratischen Prinzipien in ihren allgemeinsten Grundformen. Josua ist der Typus der gläubigen Inbesitznahme des verheißenen Landes (vgl. 4. Mos. 14; 32, 10-13). Hier werden die Bedingungen gezeigt, unter denen Israel im Lande als theokratisches Volk leben sollte. Es sollte ein gesegnetes Siegesleben führen im Glaubensgehorsam, so wie Josua und Kaleb, die Knechte Jehovas. Diese erste Periode endete mit völligem religiösen und moralischen Verfall. Das Buch der Richter zeigt uns auf dieser absteigenden Linie die Zerreißung aller theokratischen Ordnungen trotz zeitweiser, vorübergehender Besserungsversuche, und eine allgemeine Religionsvermischung. Die zwei Bücher Samuelis beschreiben uns einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte Israels durch Einsetzung des davidischen Königtums und Entstehung der reformatorischen Prophetenschulen. Die Propheten bekleideten das Wächteramt der Theokratie und pflegten die theokratische Geschichtsschreibung. Die zwei Bücher der Könige zeigen uns die bisherige Entwicklung bis zu ihrem Höhepunkt. In Salomo haben wir den Glanzpunkt der typischen theokratischen Reichsherrlichkeit und zugleich das Ende derselben durch die Reichsspaltung. Von da an führt der Prophetismus einen dauernden Glaubenskampf um die Wiederherstellung der theokratischen Volkseinheit und Volksreinheit. Wieder finden wir dasselbe Resultat, jedoch in gesteigerter Wucht: Gericht, Zerstörung Jerusalems, babylonische Gefangenschaft, Auflösung des theokratischen Reiches. Jede Entwicklungsperiode endet mit Bankerott des Menschen und dem verstärkten Nachweis der Notwendigkeit einer Heilsherbeiführung durch Christus, den Messias, als die einzige, göttliche Möglichkeit.
Nur unter dieser Voraussetzung ist die Aufgabe der späteren Schriftpropheten zu verstehen, in den vier Jahrhunderten ihrer Wirkungszeit das prophetische Zukunftsbild zu zeichnen. Rettung, Heil wird nicht mehr von der trostlosen Gegenwart erwartet, sondern allein von der messianischen Heilszukunft. Selbst die kühnsten Reformversuche gottbegeisterter frommer Könige erbrachten keine durchgreifende, bleibende Besserung, und die Propheten ermutigten dazu auch durchaus nicht. Der Schwerpunkt ihrer Verkündigung lag in der Hoffnung des zukünftigen messianischen Königreichs. Ihr Lehrziel war, die Gegenwart im Lichte dieser Heilszukunft zu verstehen und die Zukunft von der Gegenwart aus zu erschauen. Der im Gesetz bereits angekündigte Heilsuniversalismus wird hier in seiner geschichtlichen Durchführung anschaulich gemacht. Dabei ist das prophetische Zeugnis Israels für die ganze Völkerwelt Zielpunkt der göttlichen Heilspädagogik mit Israel.
Die Schriftpropheten konnten bei Erfüllung ihrer Aufgabe das Resultat der Wirksamkeit all ihrer Vorgänger, der sogenannten Tatpropheten, voraussetzen, und so war das Materialprinzip der Prophetie bereits als Grundlage vorhanden, auf der sie weiter aufbauen konnten. Die von hier aus sich öffnenden neuen Perspektiven bilden das immer klarer werdende Sehfeld der Schriftpropheten. Je tiefer Israel in Sünde versank und je weiter es sich von Gott entfernte, desto größer und umfassender wurde die Offenbarung der Gnade nach dem göttlichen Grundsatz: "Wo aber die Sünde zunimmt, da strömt die Gnade über" (Röm. 5, 20). Mit der zunehmenden Entwicklung des Sündenverderbens und dem immer drohender werdenden Gericht erfuhr das prophetische Gesichtsfeld eine wachsende Vertiefung und Erweiterung. Das Bild Christi wird in seinen Grundzügen immer deutlicher erkennbar. Die Geschichte der Sünde und des religiösen und sittlichen Verfalls gehört durchaus mit hinein in die Geschichte der göttlichen Offenbarung. Erst muß die Ohnmacht des Menschen in ihrer ganzen Tiefe wurzelmäßig bloßgelegt werden, ehe die Gnade in ihrer vollen Kraft geoffenbart werden kann. Absolute Gnade und Glaube korrespondieren miteinander, um jeden Rest menschlichen Ruhmes zunichte zu machen. Gott wählt in seiner Heilsökonomie Wege, die dem Menschen als durchaus paradox erscheinen müssen. Daher wird Prophetie mehr und mehr zu einem Zeugnis von dem Ärgernis des Glaubens, von dem Todesurteil über das Ich, vor allem das fromme Ich des Menschen, und von der Alleinmacht Gottes. Die Propheten schreiben heilige Geschichte und enthüllen dabei das Programm Gottes, das zunehmende Walten seiner Gnade, das Gericht und Heil umfaßt. Das Ziel ist die Durchführung der Gottesherrschaft in der ganzen Menschheit, wobei Israel die Mission hat, das Zeugnis und den Segen zu vermitteln. Gottesherrschaft ist Offenbarung der Herrlichkeit Gottes, und Glaube ist restlose, freudige Unterwerfung unter Gottes Regiment, das Aufgeben der ichbezogenen Sonderstellung und das Annehmen der von Gottes Liebe aus Gnaden geschenkten Gottesherrlichkeit als Inbegriff des ewigen Lebens.
Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt der Heilsgeschichte, um den sich alles dreht, sondern Gott. Das Heilswerk Gottes durch Christum am Menschen ist nur ein Beitrag zur allgemeinen Verherrlichung Gottes, damit der Mensch etwas werde zum Preise seiner Gnadenherrlichkeit. Nur von diesem erhöhten Standort aus gewinnen wir ein rechtes Verständnis für den prophetischen Heilsuniversalismus. In diesem Kernpunkt unterscheidet sich der Prophetismus der Offenbarungshaushaltung von allen menschlichen religiösen Systemen. Religion und Sittlichkeit, ausgehend von einer Zentralstellung des Menschen, muß zwangsläufig immer weiter von Gott weg und in eine antigöttliche Ichkultur hineinfahren. So finden wir es auf der Verfallslinie in Israel. Die Entwicklung des religiös sittlichen Volkslebens zum Pharisäismus und Sadduzäismus ist typisch in dieser Beziehung. Der Offenbarungshaushalt allein kennt absolute, bedingungslose Gnade, Gottverherrlichung und Ichverneinung. In ihm allein kommen Religion und Moral zu ihrem vollen Recht.
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Die Grundvoraussetzungen, die Fundamentalwahrheiten der göttlichen Offenbarung waren bereits alle gegeben und in ihren Grundrissen durch die Heilige Geschichte plastisch dargestellt im Mosaismus und im Wirken der früheren Propheten, als die späteren Propheten anfingen, das prophetische Totalbild aufzuzeichnen. Dies geschah so, daß zu dem Fundamentalbild, das sie vorfanden, immer wieder neue Züge hinzugefügt wurden. Es sind lauter aufeinanderliegende Transparente, so daß man vom obersten bis zum untersten Bild einen harmonischen Durchblick hat. Jedes im Laufe der vier Jahrhunderte, so lange währte die Wirksamkeit der Schriftpropheten, hinzukommende Transparent bereicherte durch einzelne neue Züge das Gesamtbild. Nie finden wir eine Durchkreuzung oder Überschneidung der einzelnen feinen Linien. Das Ganze ist ein Meisterkunstwerk und einheitliches Zeugnis von der Theopneustie oder Verbalinspiration der Heiligen Schrift Alten Testaments.
Chronologisch steht das Fünfprophetenbuch (Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona) an der Spitze. Diese fünf kleinen Propheten gehören der vorassyrischen Periode an und stellen inhaltlich ein geschlossenes Ganzes dar. Ihr gemeinsames prophetisches Zeugnis ist grundlegend für die geschichtliche Entwicklung der alttestamentlichen Prophetie überhaupt. Jeder Einzelne von ihnen betont eine bestimmte Seite des Fundamentalthemas der Prophetie, indem einer den anderen ergänzt und somit einseitige Auffassungen ausschließt. Jona und Obadja gehören enger zusammen, was auch durch das verbindende, "und" am Anfang des Buches Jonas zum Ausdruck kommt. Diese beiden kleinen Propheten bilden das Eingangstor der Schriftprophetie überhaupt.
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Jona hatte das Vorrecht, den königlichen Goldgrund des prophetischen Totalbildes zu malen: Die absolute, bedingungslose Gnade, durch Gericht zum Heil, und zwar für alle Menschen, den ganzen, großartigen, überwältigenden Heilsuniversalismus für die Völker, als deren Repräsentant Ninive, die assyrische Hauptstadt, erscheint. Die Rettung Ninives bedeutete für Israel Untergang, weshalb der Prophet, dies erkennend, zu fliehen suchte von "vor dem Angesicht" Jehovas, d.h. seine prophetische Stellung "vor Jehova" verließ. Im Jahre 740 v. Chr. führte Sargon die Zehnstämme Israels in die assyrische Gefangenschaft. Die persönliche Erfahrung des Propheten, indem Gott ihn herum holte, aus dem Tode, dem er sich freiwillig ausgeliefert, errettete und mit einem neuen Auftrag nach Ninive sandte, veranschaulicht den Todesweg Israels zur Heilsvermittlung für die Welt (Röm. 11, 15: "Denn wenn ihre Verstoßung Versöhnung der Welt ist, was wird ihre Wiederannahme sein, wenn nicht Leben aus Toten?"). In Jesu Leidensweg ist dieser Todesweg Israels zu Gunsten der Welt heilsgeschichtlich vollendet. Daher redet der Herr von dem Zeichen des Propheten Jona. Mt. 12, 39-41: "Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht trachtet nach einem Zeichen, und ein Zeichen wird ihm nicht gegeben werden außer dem Zeichen Jonas, des Propheten. Denn ebenso wie Jonas in dem Leibe des Seeungeheuers war drei Tage und drei Nächte, also wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nichte sein in dem Herzen der Erde. Männer, Niniviten werden auferstehen im Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verurteilen. Denn sie sannen um in die Heroldsbotschaft Jonas hinein, und siehe, hier ist mehr denn "Jona".
Das prophetische Totalbild kommt von Anfang an unter den Schatten des Kreuzes Christi. Jona war ein Typus Christi, das Zeichen für Israel und die Völkerwelt, an welchem das Heilswalten der Gnade Gottes anschaulich wurde. Wie auch der Prophet lernen mußte, die äußersten Konsequenzen der bedingungslosen Gnade Gottes zu ziehen, das zeigt Jona im letzten Kapitel seines Buches durch ein ergreifendes Selbstbekenntnis.
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Obadja, gleichsam der Geisteszwilling von Jona, hatte eine verwandte Aufgabe, nämlich Gottes Gedanken über die Heidenwelt zu verkündigen. Gericht und Gnade war das beiden Propheten Gemeinsame. Obadja verkündigte Edom als Repräsentanten der Völkerwelt das Gericht. Edom symbolisiert den Bruderhaß, die Gottesfeindschaft der religiösen, mit Israel verwandten Welt. Während Ninives, der gottfremden Welt, Bekehrung und Rettung für Israel den Untergang bedeutete, fällt das Gericht über Edom zusammen mit Israels Rettung aus dem Gericht am Tage Jehovas. Das eigentliche heilsgeschichtliche Problem für Israel rückt hierdurch bereits in den Vordergrund für die Prophetie. Israels Rettung ist abhängig vom Gericht über die Nationen, und das Heil der Völkerwelt ist abhängig vom Todesweg und Gericht Israels.
Das bestimmte hervortretende Ziel der heilsgeschichtlichen Entwicklung wird bezeichnet als Tag Jehovas, der im Unterschied zu allen voraufgegangenen Tagen die letzte Instanz ist, die die Lösung all der gewaltigen Probleme bringen soll, die sich um die Begriffe Gericht und Gnade gebildet haben. Das Bild des Tages Jehovas, das bei den Propheten erst nach und nach immer klarer und vollständiger hervortritt, ist bei Obadja schon in seinem Grundriß mit Andeutung all seiner einzelnen Linien erkennbar. Der Tag Jehovas ist gleichbedeutend mit der Aufrichtung des messianischen Königreichs zur Lösung des Gerechtigkeitsproblems, damit die Ehre Jehovas allgemein anerkannt werde. Da wird gerichtet werden nach dem Maße der ausgleichenden Gerechtigkeit (jus talionis). Die Entscheidung wird fallen auf dem Königsberge Zion und in der Tempelstadt Jerusalem. Israel wird die Heiden besitzen nach der Verheißung Abrahams, der der Welt Erbe ist (Röm. 4, 13). Die getrennten Reiche Israels werden wieder vereinigt sein, und von Zion wird das Heil ausgehen für alle Völker.
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