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Der Epheserbrief

Die Gemeinde in Christo hat im Epheserbrief eine zentrale Bedeutung. Sie ist das "Fülleorgan des Christus für die Weltvollendung". Paulus zeigt die Gemeinde, wie sie wächst und gebaut wird. Ihr Zentrum soll nicht mehr in Jerusalem sein. Das nächste Ziel für ihr Werden ist Rom und die Gefangenschaft des Paulus in dieser Stadt.
Paulus befand sich dort als Gebundener Christi Jesu zu Gunsten der Heiden. Das ist der neue Standort und die neue Schau. Aus dieser Schau heraus schrieb er alle sieben Gefangenschaftsbriefe mit ihrem überzeitlichen Charakter. Im Epheserbrief wird das Geheimnis enthüllt, dass die Heiden Miterben und Mitteilhaber der Verheißung in Christo sind durch das Evangelium.

Broschüre 228 Seiten, EUR 15,30
Bestellnummer: 1105

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Ausschnitte zum Probelesen

1 Einführung 7
1.1 Die heilsgeschichtliche Schau 7
1.2 Der geschichtliche Rahmen 13
1.3 Inhalt und Charakter des Briefes 14
2 Die Einleitung (1,1-23) 17
2.1 Die Anrede (1,1-2) 17
2.2 Das große Thema (1,3-23) 21
2.3 Der segnende Lobpreis Gottes (1,3-14) 23
2..3.1 Die vorweltlichen Segnungen (1,4-6) 27
2.3.2 Die zeitlichen Segnungen (1,7-12) 34
2.3.3 Die ökonomischen Segnungen (1,13-14)  43
2.4 Das erste Gemeindegebet Paulus' (1,15-23) 48
3 Das Generalthema und seine Einteilung (2,1-6,9) 63
3.1 Das Rohmaterial in Gottes Meisterhand (2,1-10) 64
3.2 Das Einst und Jetzt der Gemeindeglieder (2,11-18) 77
3.3 Der neue Gottestempel (2,19-22) 88
3.4 Die Verwaltung der Gnade Gottes (3,1-13) 93
3.5 Die Kräftigung des inwendigen Menschen (3,14-21) 105
3.6 Die Einheit in der Mannigfaltigkeit (4,1-16) 112
3.7 Das Anziehen des neuen Menschen (4,17-24) 134
3.8 Das "Darum" des neuen Menschen (4,25-32) 142
3.9 Die Lichtmission der Gemeinde (5,1-20) 151
3.10 Seid einander untertan in Furcht Christi (5,21-6,9) 169
4 Der Schluss des Briefes (6,10-24) 189
Bibelstellenverzeichnis 213

Hinweis zum Gottesnamen "Jehova"

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1 Einführung

1.1 Die heilsgeschichtliche Schau

Zum tieferen Verständnis des Epheserbriefes ist es nicht nur notwendig, die Situation zu erkennen, aus der heraus Paulus diesen Brief geschrieben hat, auch nicht nur das Maß des inneren Werdens des Apostels selbst, sondern auch die große heilsgeschichtliche Linie zu sehen, die sich durch alle 13 Briefe Paulus’ wie ein roter Faden hindurchzieht und sie zu einem abgerundeten Ganzen macht. Jeder einzelne Brief markiert eine wichtige Station auf dem Weg des doppelten Werdens sowohl im Leben des Apostels Paulus als auch in der Entwicklung der Gemeinde Gottes. Es ist deshalb äußerst wichtig, jeden einzelnen Brief in seiner Stellung zum Ganzen zu bewerten.

Wir werden dabei entdecken, dass ein wundervoller Plan dieser Sammlung paulinischer Briefe zugrunde liegt. Es ist wohl nicht zufällig, dass Paulus gerade an sieben Gemeinden geschrieben hat, soweit uns seine Briefe unter der Überwaltung des Heiligen Geistes überliefert worden sind. Der symbolische Wert der Siebenzahl ist die geschöpfliche Vollendung oder die vollkommene Neuschöpfung. Während die sieben Sendschreiben in der Apokalypse die Zubereitung der Gemeinde Gottes für den Dienst im künftigen Königreich des Christus zeigen, deuten uns die Gemeindebriefe des Apostels Paulus das große Werden der Gemeinde Gottes in heilsgeschichtlicher Beziehung. Mit dieser Werdegeschichte ist das persönliche Werden des Apostels Paulus aufs engste verknüpft.

Paulus befindet sich als Gefangener in Rom (Kapitel 3,1; 4,1; 6,20). Demnach gehört der Epheserbrief zu den sogenannten Gefangenschaftsbriefen Paulus’. Als solche sind der Epheser–, Kolosser–, Philipper–, Philemon– und der 2. Timotheusbrief klar erkennbar, aber auch vom 1. Timotheus– und Titusbrief dürfen wir annehmen, dass sie aus der römischen Gefangenschaft geschrieben worden sind. Was ist denn inzwischen geschehen, seitdem Paulus seinen zweiten Korintherbrief geschrieben, und welche Bedeutung hat dieses alles für das Werden des Apostels und das Werden der Gemeinde? Paulus’ 2. Korintherbrief und sein drittes Kommen nach Korinth hatte das Ziel, die korinthische Gemeinde und damit überhaupt die Gemeinde auf Völkerboden passend zu machen für den e i n e n Mann, dem Christus eine lautere Jungfrau darzustellen (2. Kor. 11,2). Diese Darstellung sollte verbunden sein mit der Aufrichtung eines volleren Pfingstzeugnisses im Schoß der Muttergemeinde in Jerusalem.

Dies war das nächste klare Ziel des Apostels in seiner weltweiten Missionsarbeit, das plastische Zeugnis von dem enthüllten Geheimnis der Einheit der Gemeinde aus Juden und Heiden. Dazu sollte auch die großzügige Kollekte dienen, welche von den Heidenchristen des paulinischen Gemeindegebietes für die Heiligen in Jerusalem als Dankopfer dargebracht wurde, und das persönliche Erscheinen der hervorragenden Vertreter dieser Gemeinden aus Europa und der Asia bei Überbringung der Kollekte, ihrer sichtbaren Gnade (CHARIS = Wohltat) als Erwiderung für die empfangene Gnade (CHARIS = Gnade). Sie repräsentierten gleichsam die Darbringung der Erstlingsbrote aus den Nationen zu dem neuen Gemeindepfingsten in Jerusalem.

Ehe Paulus von Korinth mit seinen Begleitern abreiste nach Jerusalem, schrieb er noch den Römerbrief. In ihm zeigt er den Heilsweg für den einzelnen in Rechtfertigung, Heiligung und Erlösung und den Zeugnisdienst in Verbindung mit dem Heil für Ganzisrael.

Der prophetische Blick nach Rom ging für Paulus weit über Jerusalem hinaus (Apg. 19,21; 23,11). Es war ihm klar, dass das vollere Pfingstzeugnis in Jerusalem noch nicht den Abschluss seiner großen Missionsaufgabe bedeutete, wiewohl es das nächste Ziel war, die entscheidende Wende im heilsgeschichtlichen Werden sowohl für Israel als auch für die Gemeinde Gottes. Für Israel bedeutete dieses Pfingsten in Jerusalem den Durchbruch des göttlichen Gerichts der Verstockung, weil dieses Volk das volle prophetische Geisteszeugnis der geeinten Pfingstgemeinde abgelehnt hatte. Aber auch die Werdegeschichte der Gemeinde war in eine entscheidende Kurve hineingekommen. Mit der Verwerfung des Pfingstzeugnisses durch Israel war auch die Pfingstmission der Gemeinde vorläufig zu Ende. Die Gemeinde Gottes sollte nun auch nicht mehr in Jerusalem ihr Zentrum haben, sondern völlig dezentralisiert werden, was ihre äußere Zuständlichkeit betrifft. Ihr wesenhaftes Zentrum war und blieb Christus allein. Das scheinbare Scheitern der Pfingstmission Paulus’ in Jerusalem war in Wirklichkeit ein Erfolg, ein wichtiger Wendepunkt auf dem Weg des Ideenfortschritts.

Das nächste sichtbare Ziel für das Werden Paulus’ und das Werden der Gemeinde war Rom und die Gefangenschaft des Apostels daselbst. Paulus betont es, dass er in Rom als Gebundener Christi Jesu zugunsten der Heiden sich befindet (Kapitel 3,1) und als Gebundener in dem Herrn (Kapitel 4,1) und dass er zugunsten des Evangeliums mit seinem großen Geheimnis ein Gesandter in der Kette ist (Kapitel 6,20). Damit bezeichnet Paulus den neuen Standort und die neue Schau. Er ist niemals negativ. Der Zerbruchsweg, von dem er im 2. Korintherbrief gezeugt, und auf dem er die Fülle der Kraft des Christus als eine zweite Gnade erleben durfte, war noch nicht zu Ende, sondern es war eine neue Station erreicht, eine neue Schau gewonnen worden. Aus dieser Schau heraus schrieb Paulus seine Gefangenschaftsbriefe.

Alle sieben Gefangenschaftsbriefe Paulus’ haben einen überzeitlichen, himmlischen Charakter:

  • Im Epheserbrief zeigt uns Paulus die Gemeinde in ihrem ewigen Ursprung, ihrem himmlischen Sein und ihrem ewigen Ziel (Kapitel 1,3–4.10–11).

  • Im Kolosserbrief wird uns der Christus als Erstgeborener und Anfang der Schöpfung und Haupt der Gemeinde enthüllt (Kapitel 1,16–18).

  • Im Philipperbrief hören wir von der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus (Kapitel 3,14).

  • Im Philemonbrief zeigt Paulus, wie irdische, soziale Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit geordnet werden (Vers 15).

  • Der 1. Timotheusbrief zeigt uns den trefflichen Streiter Jesu Christi, der den edlen Krieg ausficht zur Ehre Gottes, des Königs der Äonen (Kapitel 1,17–18).

  • Im 2. Timotheusbrief zeugt Paulus von der Bewahrung des köstlich anvertrauten Gutes bis auf jenen Tag im Blick auf sein nahe bevorstehendes Abscheiden (Kapitel 1,12.14; 4,6).

  • Im Titusbrief spricht Paulus vom Glauben der Auserwählten und der Erkenntnis der Wahrheit in Erwartung äonischen Lebens (Kapitel 1,1–2).

Die drei ersten Gefangenschaftsbriefe (Epheser, Kolosser und Philemon) gehören enger zusammen. Die Zeit ihrer Abfassung fällt in die erste römische Gefangenschaft Paulus’ während der zwei Jahre, von der uns noch Lukas berichtet (Apg. 28,30–31). Der Epheser– und Kolosserbrief enthüllen uns die tiefsten Geheimnisse des Christus für seine Gemeinde. Im Epheserbrief haben wir das Geheimnis, dass die Heiden Miterben und Mitleib und Mitteilhaber der Verheißung in Christus sind durch das Evangelium. Im Kolosserbrief enthüllt uns Paulus das Geheimnis des Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. Das „in Christus“ und das „Christus in euch“ sind die zwei Seiten des Evangeliums, welches Paulus als Gefangener Christi Jesu für die Gemeinde den Gläubigen zu verkündigen hat. Er ist der Apostel dieses Evangeliums, und weil es für ihn keinen Ersatz gab, deshalb kämpfte er auch so entschieden für die Anerkennung seines Apostolats.

War die römische Gemeinde nach dem Römerbrief die Trägerin des heilsgeschichtlichen Weltmissionsprogramms Paulus’ und in dieser Beziehung berufen, seine Testamentsvollstreckerin zu werden, so waren die beiden Gemeinden der Asia (Ephesus und Kolossä) berufen, die zwei tiefsten Geheimnisse des Evangeliums von Christus und seiner Gemeinde zu verwalten. Dieser spätere johanneische Gemeindekreis empfing auch die sieben Sendschreiben der Apokalypse von dem Geheimnis der sieben Sterne und der sieben goldenen Leuchter. Man könnte die Frage aufwerfen, warum dieses Vorrecht nicht auch der römischen Gemeinde zufiel. Die römische Gemeinde verschwindet ganz aus dem prophetischen Blickfeld, während die Gemeinden in Ephesus und Kolossä (Laodizea) noch eine prophetische Mission zu erfüllen hatten, bis auch sie im Laufe der Zeit eingingen.

Welches war nun der Anlass zum Schreiben des Epheserbriefes? Wir haben in ihm wohl den unpersönlichsten Brief Paulus’ vor uns. Es fehlen in ihm auch alle geschichtlichen Anknüpfungspunkte. Nur eine Tatsache wird erwähnt und besonders stark betont, die Gefangenschaft des Apostels (Kapitel 3,1; 4,1; 6,20). Diese genügt aber, um die Frage nach dem Anlass zu beantworten, wenn wir von der Voraussetzung ausgehen, dass das Werden der Gemeinde mit dem Werden des Apostels innerlich zusammenhängt und parallel läuft. Mitten aus der vollen Arbeit herausgerissen, in der Kurve seiner erfolgreichsten Mission, da die jungen Gemeinden ihn scheinbar gar nicht entbehren können, wurde er plötzlich beiseite gesetzt und in seinem Vorwärtsdrängen lahmgelegt. In dieser Lage aber verzweifelte er nicht, sondern versenkte sich in den ewigen Heilsratschluss Gottes, der unabhängig von Menschen durchgeführt wird.

Dabei fand in seiner Schau des heilsgeschichtlichen Werdens eine bedeutsame Schwerpunktverlagerung statt, ganz heraus aus dem Bereich menschlicher Anstrengungen hinein in den absoluten Willen des alleinmächtigen Gottes. Diese große Wahrheit darf aber nicht einseitig theoretisch, dogmatisch formuliert gefasst, sondern muss erlebnismäßig erkannt werden. Darum musste Paulus ein Gebundener Christi Jesu werden, ein seiner Freiheit Beraubter, ein immer mehr vereinsamter Mensch. Denselben Weg soll auch die Gemeinde geführt werden. Zeigt uns der 2. Korintherbrief, was Paulus zugunsten der Gemeinde auf dem Zerbruchs- und Schwachheitsweg erfahren und gelernt hat, so haben wir im Epheser– und Kolosserbrief den Niederschlag seines inneren Erlebens als Gebundener Christi Jesu.

Nur ein solcher, der dieses Tiefenerlebnis gemacht hat und aus ihm heraus die Wege Gottes verstehen gelernt hat, darf das Wort in den Mund nehmen von der absoluten Gnade des alleinmächtigen Gottes und von der ewigen Erwählung und Vorbestimmung der Gemeinde, ohne diese Wahrheit zu seinem eigenen Schaden zu missbrauchen. Ein solcher darf anbetend Zeugnis davon ablegen, so wie Paulus es tut. Sein Zeugnis im Epheserbrief ist nichts als Anbetung und Lobpreisung der Herrlichkeit der Gnade Gottes. Das ist der Weg, auf welchem Gott die tiefsten Geheimnisse seiner Heilspläne offenbart. Und was der Herr seinem Diener offenbart, das soll dieser nicht für sich behalten, sondern weitergeben zur Auferbauung der Gemeinde.

Aber warum schreibt Paulus nun gerade an die Epheser oder den Gemeindekreis um Ephesus? Diese Frage können wir nicht bestimmt beantworten, wir können nur Vermutungen aufstellen, da uns äußere Anhaltspunkte fehlen. Vielleicht sah Paulus in den Gemeinden der Asia, die er aus jahrelanger Tätigkeit genau kannte, den empfänglichsten Mutterboden für die tiefen Wahrheiten, die er nun der ganzen Gemeinde zu verkündigen hatte. Jedenfalls handelte er dabei unter klarer Geistesleitung.

Den Charakter des Epheserbriefes können wir nur dann richtig verstehen, wenn wir in ihm ein Rundschreiben, einen enzyklischen Brief Paulus’ an einen größeren Gemeindekreis erkennen. Dazu gehören verschiedene auffällige Züge. Das fast gänzlich Unpersönliche in diesem Schreiben wäre unerklärlich, wenn Paulus dasselbe nur an die Gemeinde in Ephesus gerichtet hätte, an eine Gemeinde, mit der er durch eine dreijährige Tätigkeit innig verbunden war.

Wir finden in diesem Schreiben keine einzige Erinnerung an diese Arbeit in Ephesus, keine einzige Anknüpfung an die Verhältnisse der Gemeinde und keine Erklärung seiner persönlichen Lage als Gefangener. In sehr wichtigen Handschriften fehlt auch in Kapitel 1,1 der Ausdruck „in Ephesus“. Diese Fassung harmoniert auch mit dem universalen Charakter des ganzen Briefes, der die Herrlichkeit der Gemeinde preist, die alle wahrhaft Gläubigen aus Juden und Heiden umfasst. In Ephesus selber war das judenchristliche Element stark vertreten (Apg. 19,8), in dem Brief aber redet Paulus vorzugsweise Heidenchristen an (Kapitel 2,1.13–14.19; 3,1.6; 4,17.22; 5,8).

Besonders fällt auch auf, dass Timotheus hier nicht neben Paulus als Briefschreiber genannt wird, während sein Name doch im Kolosser– und Philemonbrief neben dem Namen des Paulus steht als einer, der in Ephesus gut bekannt war. Tychikus, der als Überbringer des Briefes genannt wird (Kapitel 6,21), war in der ganzen Asia bekannt und hatte daselbst einen guten Namen (Apg. 20,4; 2. Tim. 4,12).

1.2 Der geschichtliche Rahmen

Paulus hatte in Ephesus und Umgebung großen Eingang, aber auch heftigen Widerstand gefunden (Apg. 19,8–10; 1. Kor. 15,32; 16,9; 2. Kor. 1,8). Von Ephesus aus verbreitete sich das Wort des Herrn in ganz Asia unter Juden und Griechen (Apg. 19,10).

In seiner Abschiedsrede an die Ältesten der ephesinischen Gemeinde spricht Paulus von Gefahren, die der Gemeinde von schweren Wölfen aus der eigenen Mitte drohen (Apg. 20,29–30). Juden aus der Asia waren es, die Paulus’ Gefangenschaft herbeiführten (Apg. 21,27; 24,19). Diese mögen auch den Bestand der Gemeinde gefährdet haben. Paulus schreibt nun an alle in und um Ephesus durch die Sichtung treugebliebenen heidenchristlichen Gemeinden des prokonsularischen Asiens mit Ephesus als Zentrum. Ephesus mit dem jonischen und phrygischen Gemeindekreis bezeichnet den Höhepunkt der missionarischen Wirksamkeit Paulus’. Hier hatte Gott durch ihn eine Fülle von Segnungen ausgeschüttet. Anstelle von Jerusalem wurde nicht Rom, sondern Ephesus für einige Menschenalter der Hauptherd christlichen Gemeindelebens.

Hier hat Paulus in einer fast dreijährigen treuen Arbeit den Grund gelegt durch seine Predigt vom Königreich Gottes (Apg. 19,8; 20,25), d. h. vom gesamten Ratschluss Gottes (Apg. 20,27), vom Evangelium der Gnade Gottes. Gerade in diesen umfassenden Ratschluss Gottes, wie er in der Gemeinde und durch sie sich verherrlicht, tun wir nun durch den Epheserbrief einen tiefen Blick.

1.3 Inhalt und Charakter des Briefes

Versuchen wir nun, einen allgemeinen Überblick über den Inhalt des Briefes zu gewinnen. Der erste grundlegende Hauptteil (Kapitel 1–3) enthüllt uns die große Segensfülle für die Gemeindehaushaltung der Gnade Gottes. Die Gemeinde ist sowohl Leib des Christus als auch heiliger Tempel im Herrn. Der Gnadenratschluss Gottes die Gemeinde betreffend ist vorweltlich und findet seine heilsgeschichtliche Verwirklichung in Jesu Erlösungswerk und der Verkündigung seines Evangeliums und wird vollendet in einer allumfassenden Gnadenhaushaltung mit Christus als Haupt der Gemeinde. Juden und Heiden ohne Unterschied werden in diese Gnadenhaushaltung eingeschlossen.

Christus hat durch seinen Kreuzestod die Scheidewand des Gesetzes, welche die Heiden vormals von Gott und den Segnungen Israels trennte, beseitigt, um Juden und Heiden mit Gott zu vereinigen und umzubilden in den einen neuen Menschen, dass aus beiden Teilen sich ein heiliger Tempel im Herrn erbaue auf Christus als dem Fundament und belebt durch seinen Geist. Die Verwaltung dieser Gnadenhaushaltung Gottes für die Heiden ist dem Paulus gegeben gemäß Enthüllung des großen Geheimnisses des Christus, dass die Heiden Miterben und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium, dessen Diakon Paulus geworden ist. Ihm ist die Gnade geschenkt worden, den Nationen den unausforschlichen Reichtum des Christus zu verkündigen und alle darüber zu erleuchten, was die Verwaltung des Geheimnisses betrifft, damit der höheren Geisterwelt durch die Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes bekanntgemacht werde. Es ist das große Anliegen des Apostels, dass die Gemeinde mit diesen tiefen Wahrheiten vertraut werde, und zwar durch inneres lebendiges Erfassen, damit sie erfüllt werde in die ganze Gottesfülle hinein.

Im zweiten Hauptteil (Kapitel 4–6) ermahnt Paulus zu einem dieser göttlichen Berufung würdigen Wandel. Derselbe betrifft zunächst das Zusammenleben in der Gemeinde in der gegenseitigen Dienstleistung der Glieder des Leibes Christi untereinander mit dem Ziel, hinzugelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollkommenen Mann, zum Maße des Vollwuchses der Fülle des Christus. Demgemäß soll alles wahr sein in der Liebe und zum Wachsen gebracht werden hinein in ihn, der das Haupt ist, Christus. Sodann soll der Wandel in dieser Welt im Verkehr mit den Menschen heilig sein im Ausziehen des alten und Anziehen des neuen Menschen, in Scheidung von allem finsteren, heidnischen Wesen.

Im einzelnen spricht Paulus über die neue Ordnung des Gemeinschaftslebens, im Verhältnis von Mann und Frau, Eltern und Kindern, Knechten und Herren, nach der Grundregel: Im Geiste seid einander untertan in Furcht Christi. Insbesondere spiegeln Liebe und Unterordnung in der Ehe die geheimnisvolle Verbindung Christi mit seiner Gemeinde wider. Gegenüber dem Teufel fordert die göttliche Berufung der Gemeinde geschlossenen Kampf in der von Gott verliehenen Ganzausrüstung.

Zum Schluss bittet Paulus um die Fürbitte der Gemeinde für seinen apostolischen Beruf, bekanntzumachen das Geheimnis des Evangeliums, für das er ein Gesandter ist in der Kette. Über sein persönliches Ergehen soll Tychikus, den er mit diesem Brief zu ihnen sendet, mündlich berichten.

Auffallend ist im Epheserbrief früheren Briefen gegenüber manches Neue in Form und Inhalt. Was den Stil betrifft, so fällt der große Schatz an neuen Ausdrücken und Wortbildungen auf und der eigenartige lange Satzbau mit seinen großen Zwischensätzen. Dies muss seinen Grund haben in dem neuen überwältigend großen Thema des Briefes. Das neue Erleben bringt auch eine neue Form der Äußerung mit sich. Aber wichtiger als die neue Form der Sprache und des Stils ist der große neue Inhalt selber. Die paulinische Rechtfertigungslehre und die Polemik gegen judaïstische Gesetzlichkeit fehlen ganz, dafür wird aber Christus dargestellt als Mittler und Ziel der Schöpfung, Versöhner und Vollender des Alls, Haupt der Gemeinde, die da ist sein Leib, die Fülle dessen, der das All in allem erfüllt.

Wie die Christologie (Lehre von Christus) vertieft und erweitert wird, so auch die Lehre von der Gemeinde und ihrem das All umspannenden Beruf. Diese neue Schau ist die Frucht des neuen Erlebens Paulus’ als Gebundener Christi Jesu für die Heiden. Die Gefangenschaft hatte seine bisherige evangelistische Tätigkeit jäh unterbrochen. Dafür nahm nun die Arbeit seines Geistes eine neue Richtung. Ihm wurde mehr das Ganze des Gemeindehaushaltsplanes Gottes enthüllt, besonders das organische, lebensmäßige Verhältnis Christi zu seiner Gemeinde. Um dieses besser zu verstehen, musste er selber mit all seinem Wirken nach außen hin zunächst ganz zurücktreten.

Sein Denken und Glauben wurde immer christozentrischer. War Christi Tod und Auferstehung früher das Herz seines Evangeliums, so wurde ihm jetzt Christus in seinem Verhältnis zur Gemeinde und dem Schöpfungsall immer wichtiger. Rückwärts und vorwärts blickend schaut er in Christus Anfang und Ziel der Gemeinde und der göttlichen Schöpfung. Auf Christus ist die Gemeinde gebaut. Er ist Fundament und Eckstein dieses göttlichen Baues. Was Christus der Gemeinde ist, das sollen die Gefangenschaftsbriefe der Gemeinde aufschließen.

Beachtenswert ist die große Ähnlichkeit zwischen dem Epheser- und Kolosserbrief. Doch so überraschend auch die Ähnlichkeit oft im Wortlaut ist, so ist doch eine klare Unterscheidung der Gedankenentwicklung zu erkennen. Die gleiche Gedankenreihe, die im Kolosserbrief vom christologischen Gesichtspunkt aus entwickelt wird, finden wir im Epheserbrief vom heilsgeschichtlichen Standpunkt aus dargestellt. Im Kolosserbrief wird ferner der Christus gezeigt als das Haupt über das All, im Epheserbrief sehen wir die Gemeinde, wie sie wächst und gebaut wird als der Leib des Christus oder die Behausung Gottes in Geist. Beide Briefe behaupten trotz ihrer großen Ähnlichkeit durchweg ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit voneinander.

Das große Thema müssen wir herausfinden, indem wir genau auf die Struktur des Briefes achten. Einleitung (Kapitel 1,1–23) und Schluss (Kapitel 6,10–24) sind beim Epheserbrief auffallend umfangreich, der Größe des zu behandelnden Gegenstandes entsprechend.


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