Der zweite Korintherbrief
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In keinem seiner Briefe, ausgenommen dem Galaterbrief, spricht Paulus so eingehend von seinem Dienst und seiner apostolischen Vollmacht wie im zweiten Korintherbrief. Es war sein brennender Wunsch, die Gemeinde bekannt zu machen mit seinen Wegen in Christus Jesus, so wie er überall lehrte in jeder Gemeinde.
Das, was der Apostel Paulus als zweite Gnade bezeichnet (2. Kor. 1,15), gibt dem 2. Korintherbrief seine heilsgeschichtliche Note. Gerade durch den Tiefenweg der Trübsal und des Zerbruchs wird die ganze Fülle des grenzenlosen göttlichen Erbarmens mit der menschlichen Erbärmlichkeit in das von Paulus verkündigte Evangelium hineingelegt. Nur so kann das Vollendungsziel, die Zubereitung der Gemeinde für ihren höheren Beruf in der Gemeinschaft Jesu Christi, ihres Herrn, erreicht werden.
Dabei ist, wie Heinrich Langenberg näher ausführt, die Liebe des Christus der Maßstab, der uns genau das Maß unseres Handelns vorgibt.
Broschüre, 234 Seiten, 16,30 €
ISBN 978-3-00-064961-5
Bestellnummer: 1090
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Ausschnitte zum Probelesen
Inhaltsverzeichnis
1 |
Einleitung – die heilsgeschichtliche Schau |
7 |
2 |
Wie der Zerbruchsweg der Evangeliumsboten der Gemeinde
zugute kommt (1,8-7,16) |
37 |
2.1 |
Das innere Erleben des Apostels, dargestellt am Faden
des Berichts von seiner Reise von Ephesus nach
Mazedonien (1,8-2,11) |
38 |
2.2 |
Triumphale Führung mit ihrer scheidenden Doppelwirkung
(2,12-17) |
56 |
2.3 |
Die korinthische Gemeinde als Empfehlungsbrief
des Paulus und Christi Brief an die Welt (3,1-5) |
62 |
2.4 |
Der Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit im
Vergleich mit dem Dienst des Todes und der Verdammnis
(3,6-18) |
67 |
2.5 |
Die Lauterkeit in der persönlichen Ausrichtung des
Dienstes am Evangelium der Herrlichkeit des Christus
(4,1-6) |
77 |
2.6 |
Der verborgene Schatz in zerbrechlichen, niedrigen
Gefäßen (4,7-5,10) |
84 |
2.7 |
Die heilige Furcht vor Christi Gericht (5,11-13) |
101 |
2.8 |
Die Botschafter der Weltversöhnung in Christus als
Diakone Gottes (5,14-6,10) |
103 |
2.9 |
Die Vollendung der Heiligung durch Reinigung von
aller Fleisches- und Geistesbefleckung (6,11-7,1) |
124 |
2.10 |
Durch gottgemäße Traurigkeit zu einer unbereubaren
Sinnesänderung (7,2-16) |
133 |
3 |
Die Kollekte für die Heiligen in Jerusalem – Gnade und
Gemeinschaft des Dienstes für die Heiligen (8,1-9,15) |
147 |
4 |
Abrechnung mit den trügerischen Arbeitern (10,1-13,10) |
167 |
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Bibelstellenverzeichnis |
219 |
Die Verbindung dieses neuen Abschnitts mit dem vorherigen wird
durch eine Frage des Apostels hergestellt:
„Fangen wir wiederum an, uns selber zu empfehlen?“
(3,1)
Die letzten Ausführungen konnten nämlich leicht missverstanden
werden als Selbstruhm oder Selbstempfehlung. Dem begegnet
Paulus nun durch entschiedene Abweisung einer solchen Vermutung.
Das „wiederum“ weist hin auf frühere ähnliche Fälle (vgl.
1. Kor. 2–4). Eine zweite Frage lehnt die Notwendigkeit von Empfehlungsbriefen
für Paulus und seine Mitarbeiter überhaupt ganz
ab.
„Oder – wir bedürfen doch nicht etwa, wie etliche,
empfehlender Briefe an euch oder von euch?“ (3,1)
Empfehlungsbriefe werden in der nachapostolischen Zeit häufiger
erwähnt. Reisende Gemeindeglieder wurden auf diese Weise
durch die Bischöfe von einer Gemeinde an die andere überwiesen
oder empfohlen. Das hatte seinen guten Sinn und Grund,
wenn solche Glieder unbekannt waren. Aber bei Paulus und seinen
Mitarbeitern war es überflüssig. Doch weshalb erwähnt Paulus
dies hier? Offenbar liegt in dem Begriff „Empfehlungsbrief“
noch eine tiefere Bedeutung. Der Ausdruck kommt nur an unserer
Stelle vor und entspricht nicht ganz dem bei den Kirchenvätern
dafür gebrauchten (epistola formata). Der an unserer Stelle
gebrauchte Ausdruck (epistolä systatikä) heißt soviel wie „Briefe
des Zusammenhangs oder des Zusammenstehens“ (vgl. Kol. 1,17;
2. Petr. 3,5). Die „etlichen“ wollten durch solche Briefe, wohl von
Jerusalem an die Korinther und von den Korinthern an die jerusalemische
Muttergemeinde, einen festen Zusammenschluss der Gemeinden
aus den Nationen mit der Muttergemeinde in Jerusalem
herstellen.
Hier haben wir also das Bestreben, durch äußere Organisation
das zustande zu bringen, was Paulus durch das Geistesband der
Bruderschaft zu erreichen suchte. Es ist nun nicht nötig, bei den
„etlichen“ eine feindselige Absicht zu vermuten, dass sie sich solcher
Empfehlungsbriefe für ihre Propaganda gegen Paulus bedienten.
Der Zusammenhang zwingt uns jedenfalls nicht zu solcher
Annahme. Aber es liegt nahe, dass Paulus jede äußere Organisation
ablehnt, die eine Gefahr ist für das geistliche Leben der Gemeinde.
Das Wesen der Gemeinde ist organisches Wachstum und nicht
äußere Organisation zur Wahrung ihrer Substanz. Es ist wichtig zu
erkennen, dass Paulus alle Anfänge jener verhängnisvollen kirchlichen
Entwicklung im Keim bekämpft hat. Dabei ist wohl zu unterscheiden
zwischen göttlicher Ordnung in der Gemeinde und äußerer
Organisation durch menschliche Mittel. Sehr fein weiß Paulus
den Unterschied zwischen Organisation und Organismus herzustellen,
wenn er weiter schreibt:
„Unser Brief seid ihr, eingeschrieben in unsere Herzen,
erkannt und gelesen von allen Menschen.“ (3,2)
Das ist lebendiger Organismus, was im griechischen Text noch
besonders durch die Zusammenstellung von „unser“ und „ihr“
hervorgehoben wird. Es ist klar, dass Paulus nicht nur deshalb
formelle Empfehlungsschreiben für sich und seine Mitarbeiter ablehnt,
weil sie überflüssig waren wegen ihrer Bekanntschaft mit
der korinthischen Gemeinde, sondern auch, weil sie das nicht bewirkten,
wozu sie dienen sollten. Durch solche Schreiben kann in
Wirklichkeit nicht eine organische Verbindung und ein verbindendes
Zeugnis hergestellt werden. Deshalb betont Paulus hier
das Wesen des letzteren. Der Brief, geschrieben in unsere Herzen,
ist die organische Verbindung, und dass dieser Brief erkannt und
gelesen wird von allen Menschen, ist das verbindende Zeugnis. Organisation
hat mit dem Herzen nichts zu tun. Sie kann bestehen
ohne Herz, ohne Geist, ohne Leben als eine starre, tote Form.
Aber die Herzensverbindung, die organische Verbundenheit ist
Brief genug. Aber die göttliche Ordnung, die vollkommen ausreicht,
wenn dieser Brief in die Herzen eingeschrieben ist, macht
ihn doch nicht unsichtbar für die Welt, sondern im Gegenteil, er
wird „erkannt und gelesen von allen Menschen“. Was die Menschen
durch Organisation zu erreichen trachten, nämlich ein festumrissenes
Wahrheitszeugnis, das wird in Wirklichkeit nur erreicht
durch organische Geisteseinheit der Gemeinde. Diese ist
nicht nur für die Gemeinde selbst ein Zeugnis, sondern für alle
Menschen (vgl. Röm. 1,8). Das Erkannt- und Gelesenwerden von
allen Menschen setzt leichte Verständlichkeit voraus. Dies kann
von keiner noch so eindrucksvoll aufgezogenen Organisation gesagt
werden. Sie dienen alle mehr dazu, die Menschen zu verwirren,
anstatt dem Evangelium Bahn zu machen. Aber das lebendige,
organische Zeugnis der Geisteseinheit der Gemeinde Gottes wirkt
unwiderstehlich, entscheidend und scheidend.
„Dass es offenbar wird, dass ihr ein Brief Christi seid,
durch unseren Dienst bereitet, eingeschrieben, nicht
mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes,
nicht in steinerne Tafeln, sondern in Tafeln, in
fleischerne Herzen.“ (3,3)
Das ist das lebendige Zeugnis der Gemeinde an die Welt, ein
Brief Christi. Die ungläubige Welt liest nicht das geschriebene
Wort Gottes, aber sie versteht wohl das gelebte Wort Gottes, dargestellt
durch die Gemeinde. Aber auch für die Gläubigen ist dieser
Brief Christi bestimmt als Veranschaulichung seiner Gedanken mit
der Gemeinde. Hier sagt Paulus nicht mehr „unser Brief“, sondern
„ein Brief Christi“, denn es handelt sich jetzt nicht um eine persönliche
Empfehlung, sondern um die Wirkung des Zeugnisses. Christus
ist der Schreiber dieses Briefes; denn die Gemeinde ist sein
Werk, aber Paulus und seine Mitarbeiter sind dabei seine Diakone.
„Durch unseren Diakonendienst bereitet.“ Der Diakon stellt
den Diener in seiner Tätigkeit für das Werk dar (vgl. Kapitel 3,6;
1. Kor. 3,5; Eph. 3,7; Kol. 1,23), während der Knecht oder Sklave
oder Amtsträger den Diener mehr in seiner Beziehung zu einer
Person zeigt.
Der Brief Christi ist geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit
dem Geist des lebendigen Gottes. Tinte ist hier ein Bild von Gesetz
und Lehre als an sich totes Mittel, von dem bloßen, geistlosen
Buchstaben. Dem gegenüber ist der Brief Christi das, was durch
den Geist des lebendigen Gottes in die fleischernen Herzen als auf
Tafeln geschrieben ist. Was in steinerne Tafeln eingeschrieben ist,
bleibt tot, wenn es nicht inwendig ins Herz eindringt. Bei steinernen
Tafeln denkt Paulus wohl an das sinaitische Gesetz. Dieses
war rein äußerlich. Demgegenüber ist das fleischerne Herz die Tafel,
in die Gott durch seinen Geist jetzt seinen Willen hineinschreibt
(vgl. Hes. 11,19; 36,26).
Der Brief Christi ist also eine ganz neue Methode. Mit Tinte
wird von Menschenhand geschrieben, auf steinerne Tafeln wurde
von Gottes Finger geschrieben (2. Mo. 31,18), aber von Menschenhand
zerbrochen (2. Mo. 32,19), vom Geist des lebendigen Gottes
wird nun in andere Tafeln, nämlich in fleischerne Herzen geschrieben.
Es ist nicht das fleischliche, sondern das fleischerne Herz gemeint.
Das fleischerne Herz ist die Zentrale des menschlichen Lebens
auf seiner materiellen Naturbasis mit all seinen Schwächen
und seiner Ohnmacht. Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen
(Kapitel 4,7).
„Solche Zuversicht aber haben wir durch den Christus
zu Gott (nicht, dass wir von uns selbst tüchtig sind,
etwas zu bewerten als aus uns selbst, sondern unsere
Tüchtigkeit ist aus Gott).“ (3,4–5)
In den vorhergehenden Versen hat Paulus eine große Zuversicht
ausgesprochen hinsichtlich seines Diakonendienstes an der
Gemeinde; nun begründet er diese, damit aller Selbstruhm ausgeschlossen
bleibt. Er schreibt die Tüchtigkeit zu seinem verantwortungsvollen
Dienst nicht sich selbst zu, sondern Gott durch den
Christus. Die Frage der Tüchtigkeit hatte er schon in Kapitel 2,16
aufgeworfen und Antwort darauf gegeben. Die freudige Zuversicht
in dieser Antwort hat aber nichts mit Selbstvertrauen zu tun,
sondern es ist ein Vertrauen durch den Christus zu Gott. Eine solche
starke, freudige Zuversicht hat er Christus zu verdanken. Ihm,
der durch ihn wirkt und dem er dient, darf er völlig vertrauen, und
dieses Vertrauen gibt ihm die große, freudige Sicherheit in seinem
Dienst, selbst wenn alle anderen gegen ihn wären.
„Nicht, dass wir von uns selbst tüchtig sind, etwas zu bewerten
als aus uns selbst.“ Da es sich in diesem Zusammenhang nicht
um die Denktätigkeit überhaupt handelt, sondern um das Beurteilen
der Tüchtigkeit im Dienst, so übersetzen wir das logizesthai
am besten mit Schätzen oder Bewerten. Selbst um die Tüchtigkeit
im Dienst zu bewerten, hält Paulus sich und seine Mitarbeiter nicht
für „tüchtig von uns selber“ und erst recht nicht, etwas zu bewerten
„als aus uns selber“.
„Sondern unsere Tüchtigkeit ist aus Gott.“ Paulus sagt nicht,
dass er untüchtig ist. Er ist ebenso weit von falscher Demut entfernt
wie von überheblichem Selbstvertrauen. Tüchtigkeit ist vorhanden,
und das ist Grund zu großer, freudiger Zuversicht im
Dienst. Aber diese Tüchtigkeit stammt aus Gott. Das ist Grund zu
demütiger Dankbarkeit. Welche besondere Tüchtigkeit er meint,
darüber spricht er im nächsten Abschnitt.
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