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Schriftenmission-Langenberg.deDer Römerbrief
Ausschnitte zum Probelesen
Hinweis zum Gottesnamen "Jehova"
1 Einführung1.1 VorwortEs ist für das Verständnis der paulinischen Briefe von entscheidender Wichtigkeit, einmal die große heilsgeschichtliche Linie durch alle uns überlieferten Briefe des Apostels Paulus zu ziehen. Einzelne Bibelstellen werden oft erst dann recht klar, wenn der große Zusammenhang, in welchem sie vorkommen, richtig erfasst worden ist. Und weil die paulinischen Briefe nicht etwa eine lose Sammlung von Sprüchen oder Predigttexten sind, sondern große Linien göttlicher Heilswahrheiten darbieten, so ist es geradezu unerlässlich, nach diesen Linien gewissenhaft zu forschen. Die Mühe des Suchens und Grabens wird durch Entdeckerfreude überreich belohnt. Wohl sind Paulus’ Briefe alle mehr oder weniger Gelegenheitsschriften, nicht von vornherein mit der Absicht geschrieben, ein großes, einheitlich und allseitig geordnetes theologisches Sammelwerk zu verfassen. Dennoch dürfen wir erkennen, dass unter Überwachung des Geistes Gottes durch die Sammlung und Zusammenstellung dieser Briefe tatsächlich ein abgerundetes Ganzes geschichtlich geworden ist. Dieses Werden ist nur heilsgeschichtlich zu verstehen. Nirgends finden wir eine Darstellung der Dogmatik oder Ethik nach theologischen Regeln, sondern stets nur eine wachstümliche Belehrung, wie es die gerade vorliegenden Umstände in der heilsgeschichtlichen Entwicklung der Gemeinde erforderlich machten. Diese Entwicklung ist offenbarungsmäßig im Apostolischen Zeitalter in ihren Grundzügen zu einem vorläufigen Abschluss gekommen, so dass Paulus sagen konnte, er habe den ganzen Ratschluss Gottes verkündigt (Apg. 20,27).
Er
hat sich bemüht, in allen seinen Briefen jede Einzelwahrheit vom Standort
des Gesamtratschlusses Gottes aus darzustellen. Er ist Schauer der göttlichen
Regierungswege, der auch im Kleinsten das große Ganze zu erkennen vermag.
Gerade weil seine Briefe gleichsam herausgeboren sind aus dem
heilsgeschichtlichen Werden der Gemeinde und Paulus dieses Werden in seiner
Person, seinem Dienst und seinem Kampf verkörpert, bieten uns seine Briefe
ein umfassendes, allseitiges Bild des Gesamtratschlusses Gottes. Die
Gemeinde ist das Zentralorgan der göttlichen Weltregierung
Es entsteht nun die
Frage, welchen Weg wir einzuschlagen haben, um die große Linie zu finden,
die durch alle 13 Briefe des Apostels
Der
Absender
des
Briefes nennt sich nicht erst in der Unterschrift Auch in der Eigenart der
Charakterisierung der
Briefempfänger
entdecken
wir leicht die innere Beziehung zum Briefinhalt. Gerade diese Einleitungen
der paulinischen Briefe werden vielfach beim Bibelstudium arg vernachlässigt,
weil sie so wenig Stoff zur Erbauung Zu einem gesegneten Studium dieses für
das Werden der Gemeinde Gottes und das gesunde Wachstum des persönlichen
Glaubenslebens geradezu grundlegenden Briefes seien noch einige Winke
gegeben. Es lohnt sich, die angeführten Bibelstellen nachzuschlagen, Ganz besonders sei die gemeinsame Besprechung in Hausbibelkreisen empfohlen. Bei einem so wohldisziplinierten Schriftstudium werden wir die beglückende Entdeckung machen, dass gerade der Römerbrief für die tiefere Erkenntnis der Heils- und Regierungswege Gottes mit der herausgerufenen Gemeinde und durch sie mit Israel und der Völkerwelt, ja mit dem ganzen Universum von fundamentaler Bedeutung ist. Solches Studium sollte stets mit Gebet um Weisheits- und Offenbarungsgeist in seiner Erkenntnis und erleuchtete Augen des Herzens verbunden sein, damit kein bloßes Kopfwissen, keine bloß verstandesmäßige Erkenntnis gewonnen wird, die nur aufbläht, sondern ein inneres, lebensmäßiges Erfassen der göttlichen Wahrheit. Das Wort muss für uns lebendig werden und uns persönlich unmittelbar anreden. Nur so kommen wir hinein in den Lebensstrom der Kraft Gottes zum Heil jedem, indem er glaubt. 1.2 Zurück zu den Urquellen des Wortes!Wir leben in einer Zeit der Überschwemmung mit christlicher, erbaulicher Literatur und erleben dabei, dass wir uns immer weiter auseinanderleben. Es ist ein geradezu verwirrendes Vielerlei und Durcheinander der Meinungen, Organisationen, Parteien und Gemeinschaftsbildungen, so dass die Aussicht auf eine zu erreichende Einheit des Glaubens und der Erkenntnis immer mehr schwindet. Es ist durchaus nicht unsere Absicht, dieses Vielerlei noch zu vermehren, sondern im Gegenteil, aus der sich steigernden Turbulenz menschlicher Meinungen herauszukommen zu der ursprünglichen Schlichtheit der ersten Christen, die das Wort aufnahmen nicht als Menschenwort, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Wort Gottes (1. Thess. 2,13). Das Wort selber muss lebendig, redend werden als eine Kraft Gottes. Unsere Aufgabe besteht nun darin, dem Liebhaber der Heiligen Schrift Handreichungen zu geben, um ihm zum selbständigen Forschen den Weg frei zu machen zu den Urquellen des Wortes. Wie kann und soll das erreicht werden? Dieser Weg ist vielfach verschüttet worden durch ungenügende Übersetzungen aus dem Grundtext und Infiltrierung menschlicher Meinungen. Bei der Übersetzung aus den biblischen Ursprachen musste Bedacht genommen werden auf möglichst genaue, wortgetreue Wiedergabe und Aufschlüsselung biblischer Grundbegriffe und die Kontinuität der geraden Linien, die wie Nervenstränge den wunderbaren lebendigen Organismus des Wortes Gottes durchziehen (vgl. 2. Tim. 2,15). Es muss vor allem die große Christuslinie, die die ganze Heilige Schrift von Anfang bis Ende durchzieht, aufgezeigt werden. Da wir nicht vorhaben, ein umfassendes Bibelwerk herauszugeben, sondern nur in den wichtigsten heilsgeschichtlichen Fragen Wegweiserdienste zu leisten und den gesamten Heilsplan Gottes in prophetischer Totalschau darzustellen, haben wir es uns zur Aufgabe gestellt, neben den bisher erschienenen Schriften noch weitere herauszugeben in einer Aufteilung und Form, die es jedem, auch dem, der wenig Zeit und Mittel zur Verfügung hat, möglich macht, sich an den Bibelkursen und Lesungen zu beteiligen. 2 Der Brief des Apostels Paulus an die RömerDer heilsgeschichtliche Missionsberuf der Gemeinde und der paulinische Lehrtypus Im neutestamentlichen Kanon schließt sich der Römerbrief unmittelbar an den Schluss der Apostelgeschichte an. Dieser Schluss, der uns von dem Beginn der Wirksamkeit Paulus’ in Rom berichtet, lässt allerlei Fragen für den aufmerksamen Leser offen, deren Beantwortung äußerst wichtig ist, nicht nur, um ein abgeschlossenes Lebensbild des Apostels zu gewinnen, sondern auch vor allem, um den Fortgang der in der Apostelgeschichte klar ausgeführten großen heilsgeschichtlichen Linie im Werden der Gemeinde Gottes und im Werden des Apostels Paulus in gegenseitiger Beziehung weiter zu verfolgen. Diese Fragen werden erst nach und nach in den 13 paulinischen Briefen voll beantwortet. Der Römerbrief jedoch, als der erste in der Reihenfolge des Kanons, zeigt uns die Bedeutung der römischen Gemeinde für die Vollendung der paulinischen Universalmission in der Völkerwelt. Dafür nun, dass der Bericht des Lukas uns bei der Frage nach der Wirksamkeit des großen Völkerapostels in der römischen Gemeinde völlig im Stich lässt, haben wir in diesem Brief reichen Ersatz. Allerdings erhalten wir durch denselben auch noch keine Kunde von dem Wirken Paulus’ in Rom; denn der Brief ist geschrieben worden, ehe Paulus Rom überhaupt gesehen hat, wohl aber desto mehr eine klare Erkenntnis von dem heilsgeschichtlichen Missionsberuf der römischen Gemeinde. Das Wort Gottes hat durchaus kein biographisches Interesse.
Wir finden in der ganzen Bibel kein einziges abgeschlossenes Lebensbild. Die
heiligen Männer der Schrift verschwinden hinter ihrer Aufgabe. So auch der
Apostel Paulus. Jedoch sein Sonderauftrag, seine Mission wird uns vollständig
dargestellt, und in dieser Beziehung bringt der Römerbrief die Fortsetzung des
so plötzlich abgebrochenen Berichts der Apostelgeschichte. 2.1 Die Einleitungdes Briefes lautet: „Paulus, Knecht Christi Jesu, berufener Apostel, abgesondert für das Evangelium Gottes (das er vorher verheißen hat durch seine Propheten in heiligen Schriften) über seinen Sohn (der geworden ist aus Samen Davids gemäß Fleisch, der festgestellt ist als Sohn Gottes in Kraft gemäß Geist der Heiligkeit aus Totenauferstehung heraus) Jesus Christus, unseren Herrn, durch welchen wir Gnade und Apostelberuf empfingen hinein in Glaubensgehorsam unter allen Nationen für seinen Namen, unter welchen auch ihr seid als Berufene Jesu Christi.“ (1,1–6) Alle 13 Briefe beginnen mit dem Namen „Paulus“. Dies ist wichtig zu beachten; denn der Name steht hier nicht nur, um den Autor zu bezeichnen, sondern um von vornherein allen diesen Briefen einen gewissen Charakter aufzuprägen. Paulus ist nämlich der lateinische oder römische Name, den der Apostel neben seinem hebräischen Namen Saul von Geburt an getragen hat. Wie wir aber aus dem Bericht des Lukas schließen dürfen, führte Paulus seinen römischen Namen als alleinigen von dem Augenblick an, als ihm seine Berufung zum Apostel der Nationen bestätigt wurde (Apg. 13,9). Die betonte Voranstellung dieses Namens zeigt an, dass Paulus alle seine Briefe in der Eigenschaft seiner Sonderberufung geschrieben hat, also auch den Römerbrief. Hier führt er dies jedoch noch spezieller aus. Doch, und das ist wohl zu beachten, bevor er von seinem Apostelberuf spricht, nennt er sich mit Nachdruck „Knecht Christi Jesu.“ Für Knecht oder Diener hat das Neue Testament folgende Ausdrücke: dulos = Knecht, Sklave, der im Gegensatz
zum Freien seinem diakonos = Diener, der mit dem inneren
Aufbau der Gemeinde hyperetäs = Schwerstarbeiter, der für seinen Herrn Fronarbeit leistet; therapon = freiwilliger Arbeiter oder
Diener; leiturgos = der im öffentlichen oder Tempeldienst stehende Amtsträger. Von diesen verschiedenen Bezeichnungen gebraucht Paulus für sich mit Vorliebe den Ausdruck dulos, wie hier, und zwar in Verbindung mit Christus oder Christus Jesus (Röm. 1,1; Phil. 1,1; Gal. 1,10; Eph. 6,6; 1. Kor. 7,22; Tit. 1,1) und nur einmal in Verbindung mit der Gemeinde um Jesu willen (2. Kor. 4,5). Hier im Römerbrief steht: „Knecht Christi Jesu“. Einige Handschriften haben: Knecht Jesu Christi, aber die meisten und besten lesen „Christi Jesu“. In dieser Ordnung kommt der Ausdruck auch in 1. Kor. 1,1; Phil. 1,1 und Kol. 4,12 vor. Wenn Christus vor Jesus steht, dann ist der Amtsname des Herrn besonders betont. In unserer Stelle wohl deshalb, weil es sich bei Paulus’ Dienst um die Durchführung des himmlischen Christuswirkens vom Thron aus handelt. Zu diesem wichtigen Dienst kann der Herr als Werkzeug nur einen Menschen gebrauchen, der voll begriffen hat, was dulos Christi Jesu bedeutet. „Berufener Apostel,“ das ist die nähere Dienstbezeichnung, die Paulus jedes Mal nur dann in seinen Briefen betont, wenn sein Dienst dabei eine Rolle spielt. In den beiden Thessalonicherbriefen, dem Philipperbrief und dem an Philemon war das nicht nötig. Ein Apostel ist ein von Christus mit großer Vollmacht ausgerüsteter Sonderbeauftragter und Gesandter. „Berufener“ Apostel findet sich außer in Röm. 1,1 nur noch in 1. Kor. 1,1. Während nun in der letzteren Stelle „berufener Apostel“ verbunden ist mit „durch Willen Gottes“, steht dieser Ausdruck hier im Zusammenhang mit der Bestimmung zum Dienst am Evangelium. Paulus deutet damit Kapitel 1,1–2 hin auf sein apostolisches Werden, wie er unter klarer Geistesführung seinen apostolischen Beruf Schritt für Schritt gleichzeitig mit dem Fortschreiten der Evangeliumsbewegung erkannt hat. Er wurde für diesen Beruf herausgenommen aus allen vorherigen Bindungen, „herausbestimmt in das Evangelium Gottes hinein.“(1,1) Der Ausdruck „Evangelium Gottes“ kommt bei Paulus außer in Röm. 1,1 nur noch in Kapitel 15,16; 2. Kor. 11,7; 1. Thess. 2,2.8–9 vor, aber nur in unserer Stelle so explizit als „Evangelium Gottes über seinen Sohn.“ Das muss seinen besonderen Grund haben. Evangelium Gottes ist nicht zu trennen von Evangelium Christi, aber doch zu unterscheiden. Es ist der Ausdruck für Gottes das ganze All umfassende Heilsbotschaft. Schon dadurch weist Paulus hin auf die universelle Darstellung des Evangeliums im Römerbrief „über seinen Sohn“. Das Evangelium Gottes dreht sich nicht um den Menschen als Mittelpunkt, sondern um Christus, den Sohn Gottes. Hier belauschen wir den tief inneren Herzschlag des Evangeliums Gottes. Dieser Ausdruck kommt sonst nirgends im Neuen Testament in solcher Form vor. Die christozentrische Darstellung des Evangeliums Gottes charakterisiert den ganzen Römerbrief. Auffallend ist ferner, wie ausführlich Paulus den inneren Zusammenhang dieses Evangeliums mit dem Alten Testament nachweist. Durch drei wuchtige Sätze führt er das aus. „Das er vorher verheißen hat durch seine Propheten in heiligen Schriften.“ (1,2) Es gibt ein Geheimnis des Christus, das vorher nicht geoffenbart wurde (Eph. 3,5), aber das Evangelium Gottes über seinen Sohn ist vorher verheißen und zieht sich wie ein goldener Faden durch die Schriften der Propheten. Das erhärtet Paulus durch die 84 Zitate im Römerbrief. Sie zeigen die große messianische Linie an, die sich durch die prophetischen Schriften hindurchzieht. Das Evangelium Gottes ist als die alles umfassende Heilsbotschaft bereits durch die Propheten vorausverkündigt worden, aber erst durch die neutestamentliche Offenbarung ist das „über seinen Sohn“ (1,3) ins helle Licht gerückt worden. Im Alten Testament herrscht der Titel „Knecht Jehovas“ vor; Christus als Sohn Gottes aber ist der Grundton für das Evangelium Gottes, welches Paulus zu verkündigen berufen und ausgesondert ist. Diesen Punkt führt Paulus noch genauer aus durch die folgenden zwei Nebensätze: „der geworden ist aus Samen Davids gemäß Fleisch“ (1,3) und „der festgestellt ist als Sohn Gottes in Kraft gemäß Geist der Heiligkeit aus Totenauferstehung heraus.“ (1,4) Es sollen hier nicht nur die zwei Seiten der gottmenschlichen Natur Christi Jesu hervorgehoben, sondern die Erweisung, Festsetzung, Bestimmung derselben vor Augen gestellt werden. Das konnte nur heilsgeschichtlich geschehen durch ein bestimmtes Werden. Diese Werdegeschichte hat zwei Seiten. Die dem Fleisch zugewandte Seite ist das geschichtliche Werden Jesu aus Samen Davids, und die dem Geist zugewandte Seite ist das Hervortreten als Sohn Gottes in Kraft, und zwar aus Totenauferstehung heraus, als siegreicher Durchbrecher aller Todes- und Finsternismächte. Es ist also der himmlische Christus, der Auferstandene, den Paulus als Evangelium Gottes zu verkündigen berufen ist. Immer deutlicher tritt hier der besondere Apostelberuf Paulus’ ans Licht. Auffallend ist auch der Ausdruck „gemäß Geist der Heiligkeit.“ Hier ist Heiligkeit (nicht Heiligung) in der ureigenen Bedeutung als Ganzandersartigkeit zu fassen. Der Geist Gottes wird als Geist der Heiligkeit bezeichnet, weil die Einzigartigkeit im Heilshandeln Gottes durch seinen Sohn zum Ausdruck gebracht werden soll. Das Wort „Heiligkeit“ (hagiosynä) kommt nur bei Paulus vor, und zwar an folgenden drei Stellen: Röm. 1,4; 2. Kor. 7,1; 1. Thess. 3,13. Der Weg des Heilssieges, den Christus erfüllte als wahrer Mensch gemäß Fleisch aus Samen Davids und als wahrer, ewiger Gottessohn in Kraft, der seine Bestimmung durch Totenauferstehung restlos durchführte, ist der Erweis der Heiligkeit Gottes. Dieses Heil war für den Menschen unerfindbar, aber es ist offenbar geworden als höchste Gottesweisheit. Von diesem hohen Standort aus hat Paulus die ganze Soteriologie (Heilslehre) des Römerbriefes dargestellt. Er verkündigt den himmlischen Christus, der von Totenauferstehung aus von Gott als Sohn Gottes in Machtvollkommenheit eingesetzt worden ist. Die Bestimmung, die der Sohn von Ewigkeit her hatte, ist mit seiner Auferstehung zur Einsetzung geworden. Das Evangelium Gottes über seinen Sohn ist auch „das Evangelium Gottes über“ „Jesus Christus, unseren Herrn.“ (1,4) Das ist die Seite des Evangeliums Gottes, die sich den Menschen zuwendet. Hier ist die Reihenfolge der Titel des Herrn umgekehrt. Hier heißt es nicht Christus Jesus, sondern Jesus Christus. Der Mensch Jesus, der auch der Christus ist, ist nun der auf dem Thron Gottes sitzende Herr, „unser Herr.“ Das ist die Beziehung des Christus zur Gemeinde. Durch den Ton, den Paulus auf das „unser“ legt, kennzeichnet er den gemeinsamen Glaubensboden, auf welchem er mit der römischen Gemeinde steht. Sein Herr ist auch ihr Herr. Und so hat sein vom Herrn empfangenes Apostelamt auch ihnen etwas zu bedeuten. „Durch welchen wir Gnade und Apostelberuf empfingen.“ (1,5) Paulus kommt jetzt dem eigentlichen Thema des Römerbriefs und der Beziehung seines Apostelberufs zu der besonderen Mission der römischen Gemeinde näher. Voran stellt er die Gnade, die nicht nur er, sondern auch die Gemeinde empfangen hat. Das „wir“ ist kein Majestätsplural, sondern so zu nehmen, wie es dasteht. Auch am Apostelberuf Paulus’ haben die römischen Christen aktiven Anteil, insofern sie berufen sind, sein apostolisches Missionswerk fortzusetzen. Dass Paulus so die Gnade in den Vordergrund stellt, entspricht ganz dem Charakter des Römerbriefes, und dass er das „wir“ auch auf den Apostelberuf bezieht, wird durch die Ausführungen im Brief bestätigt. Paulus für seine Person ist „berufener Apostel“, er und die Gemeinde in Rom aber empfingen eine gemeinsame apostolische Aufgabe. Dies der römischen Gemeinde zu erklären und ans Herz zu legen, ist der eigentliche letzte Zweck des Briefes. Man hat diesen vielfach darin gesehen, eine Belehrung über die Rechtfertigung des Glaubens zu geben. Durch diese Annahme wird aber nur ein Teil des Briefes berührt, jedoch nicht der Kern desselben in Kapitel 9–11 und der wichtige Schlussteil Kapitel 15 und 16. Der gemeinsame Dienst hat als Ziel: „den Glaubensgehorsam unter allen Nationen für seinen Namen“, (1,5) also die Königsherrschaft des Christus über die ganze Menschheit. Hier wird nicht unterschieden zwischen Juden und Heiden. Hier ist auch der Glaube nicht als Doktrin zu fassen, sondern als Tat, als Unterwerfung unter Christus. Diese ganze Darstellung ist durchaus heilsgeschichtlich zu verstehen. „Für seinen Namen“ oder zugunsten seines Namens bedeutet soviel wie für seinen Weltherrschafts- und Weltvollendungsberuf. Name ist symbolische Bezeichnung für Beruf, Aufgabe, Charakter. „Unter welchen auch ihr seid als Berufene Jesu Christi.“ (1,6) Dadurch will Paulus nicht nur sagen, dass die Gläubigen in Rom sich mitten unter den Nationen befinden und dass sie dazu gehören, sondern dass sie ihre Aufgabe, ihren Beruf mitten unter den Nationen haben. Darum bezeichnet er sie als „Berufene Jesu Christi.“ Sie haben gemeinsam mit Paulus, dem berufenen Apostel, die große apostolische Völkermission. Der Ausdruck „Berufene Jesu Christi“ ist einmalig, und da Paulus sonst von Berufung nur in Verbindung mit Gott spricht, der da beruft (Röm. 8,30; 9,24; 1. Kor. 1,9; 7,15–17; 1. Thess. 2,12; 2. Thess. 2,14), so muss es sich bei der Berufung durch Jesus Christus um etwas Besonderes handeln. Hier ist Jesus Christus als Haupt der Gemeinde der Berufende, der seine Gemeinde zu ihrem speziellen heilsgeschichtlichen Beruf zubereitet. Der ganze Römerbrief hat dieses Ziel und ist in seinen einzelnen Teilen auf dieses Ziel hin ausgerichtet. Dies kann durch den Aufbau der inneren Struktur nachgewiesen werden. Doch zuvor sehen wir uns den Schluss des Briefes an, um uns zu vergewissern, ob wir auf dem rechten Weg sind mit der heilsgeschichtlichen Deutung dieses Briefes.
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